NOVEMBER 16, 2020
Moderna oder Seltsamkeiten der COVID-19 Impfstoffe – Spiel zur Halbzeit gewonnen?
Wenn es zur Halbzeit zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Waldhof Mannheim 1:0 steht, steht dann der FCK als Sieger fest.
Selbstverständlich nicht. Und dennoch kann man derzeit ein Spektakel beobachten, dessen Sinn darin besteht, den Gewinner schon zur Halbzeit zu benennen.
COVID-19 Impfstoffe
Gerade haben Pfizer und Biontech einen Erfolg gemeldet, von dem man sich fragt, worin genau er besteht, denn es stehen keine Daten zur Verfügung, anhand derer nachvollzogen werden könnte, wie es um die Effektivität des Impfstoffes tatsächlich bestellt ist. Mehr dazu haben wir hier geschrieben. Wer sich dafür interessiert, was man mit den derzeitigen Trials tatsächlich über die “Effektivität” des entsprechenden Impfstoffes aussagen kann, der kann das hier nachlesen. Das Ergebnis ist in jedem Fall ernüchternd.
Heute nun gibt es eine Erfolgsmeldung zum Impfstoff von Moderna, einem US-amerikanischen Unternehmen, das die Trump-Administration auf Basis des Programms “Warp-Spead” mit rund 1.5 Milliarden US-Dollar aufgepeppt hat, vielleicht auch aufgeblasen. Wenn so viel Geld in ein Unternehmen gepumpt wird, und ein Konkurrent (Pfizer), der nicht an Warp-Speed partizipiert, bereits eine Erfolgsmeldung auf Basis eines mRNA-Impfstoffes präsentiert hat und damit auf Basis der selben Technologie, die auch Moderna benutzt, dann ergibt sich daraus Druck, Erfolgsdruck. Und nachdem schon Pfizer und Biontech Zwischenergebnisse veröffentlicht haben, deren Stellenwert und Aussagekraft niemand einschätzen kann, hat nun auch Moderna die Erfolgsmeldung geschrieben, auf die die Welt gewartet hat: 94,5% Effektivität soll der Impfstoff haben, so jedenfalls will es das Zwischenergebnis.
Zwischenergebnis.
Wie normal es geworden ist, nicht mehr bis zum Ende einer Studie zu warten, sondern willkürlich mittendrin ein paar Ergebnisse, die gerade gut sind, zu veröffentlichen. Dann lehnt man sich zurück und schaut dabei zu, wie die uninformierte Zunft, deren Mitglieder von sich denken, sie seinen Journalisten, den Erfolg verbreitet und feiert.
Nur: Welchen Erfolg? Würden Sie den FCK in unserem Beispiel oben zum Gewinner erklären, obwohl erst eine Halbzeit gespielt wurde?
Stellen wir die Randbedingungen zusammen:
Seit Mai erhalten Probanden mRNA-1273-P301 von Moderna.
Ob das Studienziel von 30.000 Probanden schon erreicht wurde, ist unbekannt.
15.000 Probanden sollen der Kontrollgruppe, 15.000 der Impfgruppe zugewiesen werden.
Die Zuweisung erfolgt zufällig als geschichte Auswahl mit drei Gruppen: Probanden unter 66 Jahre, die keiner Risikogruppe zugehören; Probanden unter 66 Jahren, die einer Risikogruppe zugehören, weil sie HIV positiv sind, übergewichtig, ein Herz-Kreislauf Leiden oder eine Atemwegserkrankung haben; Probanden über 65 Jahre;
Probanden in der Impfgruppe erhalten im Abstand von 29 Tagen zwei Impfungen mit mRNA-1273-P301.
100 Personen sind seit Beginn des Trials positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden und zeigen Symptome einer Erkrankung an COVID-19: 95 in der Kontroll-, 5 in der Impfgruppe;
Unter den 100 Personen finden sich 11 Personen, die schwer an COVID-19 erkrankt sind, alle in der Kontrollgruppe;
Die Effektivität wurde von Moderna auf 94,5% berechnet.
Um einschätzen zu können, was diese hohe Effektivität aussagt, die Dr. Anthony Fauci, Trumps ehemaligen Chef-Virologen, so freut, dass er gleich Interviews gegeben hat, muss man zunächst wissen, wann ein Teilnehmer an der Studie als symptomatischer Fall von COVID-19 gezählt wird und somit einen “Endpunkt” darstellt und wann ein Teilnehmer als ernsthaft an COVID-19 erkrankt gilt.
Die entsprechenden Definitionen finden sich im “Clinical Study Protocol” von Moderna, das wir hier verlinkt haben.
Demnach stellt ein Proband dann einen “Endpunkt” dar, wenn er positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurde und entweder
Zwei der folgenden Symptome aufweist: Fieber, Frösteln, Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Verlust von Geschmacks- oder Geruchssinn;
ODER
Eines der folgenden Symptome aufweist: Husten, Kurzatmigkeit, Atemschwierigkeiten oder Pneumonie;
Ein Husten und ein positiver Test reichwn somit aus, um als einer der 100 an COVID-19 Erkrankten zu gelten.
Eine schwere Erkrankung an COVID-19 liegt vor, wenn
Klinische Daten, wie der Puls, die Atemfrequenz oder der Blutdruck oder der Sauerstoffgehalt des Blutes auf eine ernste Erkrankung hindeuten;
ODER
eine akute Erkrankung der Atemwege diagnostiziert wurde;
ODER
akute Funktionsstörungen der Niere, der Leber oder neurologische Störungen vorliegen;
ODER
eine Einweisung auf eine Intensivstation erfolgt ist;
Was sich hinter den 100 an COVID-19 Erkrankten und den 11 schwer Erkrankten, die sich darunter befinden, genau an Symptomen verbirgt, das ist unbekannt.
Bekannt ist hingegen, dass die Anzahl der milden und schweren Fälle, die nun die Grundlage für die Erfolgsmeldung bilden, nicht ansatzweise ausreicht, um den Kriterien zu entsprechen, die Moderna selbst festgelegt hat, um die Effizienz des Impfstoffes zu bestimmen:
“The sample size is driven by the total number of cases to demonstrate VE (mRNA-1273 vs. placebo) to prevent COVID-19. Under the assumption of proportional hazards over time and with 1:1 randomization of mRNA-1273 and placebo, a total of 151 COVID-19 cases will provide 90% power to detect a 60% reduction in hazard rate (60% VE), rejecting the null hypothesis H0: VE ≤ 30%, with 2 IAs at 35% and 70% of the target total number of cases using a 1-sided O’Brien-Fleming boundary for efficacy and a log-rank test statistic with a 1-sided false positive error rate of 0.025.
Um gesicherte Aussagen über die Effektivität des eigenen Impfstoffes machen zu können, wobei selbst gesicherte Ausssagen noch mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von immerhin 0,1% bis 10% einhergehen, werden 151, nicht 100 Endpunkte, also an COVID-19 Erkrankte, benötigt. Die Erfolgsmeldung vom heutigen Tag basiert somit auf knapp 2/3 der notwendigen Fallzahl, was mehr als ein Fragezeichen hinter das Ergebnis setzt.
Noch dramatischer sieht es für Aussagen über die Fähigkeit von mRNA-1273-P301 aus, eine schwere Erkrankung an COVID-19, also das, was im Trial als schwere Erkrankung gilt (siehe oben) zu verhindern. In den Erfolgsmeldungen, die man derzeit lesen kann, sind Beobachter darüber erfreut, dass alle 11 schwer an COVID-19 Erkrankten (was auch immer die schwere Erkrankung sein mag) in der Kontrollgruppe zu finden sind, keiner in der Impfgruppe. Indes sind 11 Erkrankte viel zu wenig, als dass man überhaupt eine Aussage über die Effektivität von mRNA-1273-P301 im Hinblick auf die Verhinderung einer schweren Erkrankung an COVID-19 machen könnte.
Die folgende Tabelle findet sich im Clinical Study Protocol von Moderna. Wie man sieht, beginnt die Erörterung der Frage, welche statistische Sicherheit sich mit Aussagen verbindet, bei einer Fallzahl von 30, also bei gut der dreifachen Fallzahl, die derzeit zur Verfügung steht.
Dateianhang:
Moderna-VE-efficacy.png [ 31.63 KiB | 483-mal betrachtet ]
Gemessen an den Kriterien, die Moderna selbst festgelegt hat, liegt die “True Vaccine Efficacy” derzeit deutlich unter 60%, und zwar sowohl für milde als auch für schwere Erkrankungen. Die 94,5% Effektivität hören sich zwar gut an, entsprechen aber in keiner Weise der Wahrheit. Die Öffentlichkeit wird derzeit mehr oder weniger für dumm verkauft. Welches Ziel damit erreicht werden soll? Haben Sie eine Idee?
sciencefiles.org/2020/11/16/moderna-oder-seltsamkeiten-der-covid-19-impfstoffe-spiel-zur-halbzeit-gewonnen/