Die eiserne Wand
Der folgende Text stammt von Wladimir Ze’ev Jabotinsky (1880-1940) vom 4. November 1923 und findet sich auf Englisch in der Jewish Virtual Library unter dem Titel Texts Concerning Zionism: “The Iron Wall”. Über das Wirken von Wladimir Ze’ev Jabotinsky, eines der bedeutendsten Zionisten, wird in Der Hintergrund des Verrats (3): Zionismus zwischen den Weltkriegen ausführlicher eingegangen. Mit einem Vorwort und übersetzt von unserer Kommentatorin Luftpost. (Originalveröffentlichung auf „As der Schwerter“.) Vielen herzlichen Dank dafür. (Bild und Links eingefügt von Osimandia.)
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Vorwort von Luftpost
Manches liest es sich wie eine Blaupause für die Umvolkung Europas, finde ich – allerdings ist die „Supermacht”, die benutzt wird, eine andere, und natürlich sind die Methoden auf uns nürnbergisch und psychologisch zugeschnitten.
Der Begriff der „eisernen Wand” kommt mir ziemlich nützlich und als Mem gut anwendbar vor. Die „eiserne Wand” findet sich im öffentlichen „Diskurs”, in der Gesetzgebung, in der Straßengewalt, dem Wesley-Clark-Zitat und so weiter. Klonowskys Artikel – Biodeutsche, gebt auf, es ist vorbei, ihr seid nicht mehr kulturfähig – ist ein Teil davon. Zudem stolpert jeder, der den Begriff googelt (steht der Text erst mal im Netz) auf dessen Ursprung. Ganz harmlos. Als „Memwerkzeug“ geeignet, als Bild fühlbar. Oder ist das zu sehr um die Ecke gedacht?
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Dateianhang:
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Wladimir Ze’ev JabotinskyEs ist eine exzellente Regel, einen Artikel mit dem wichtigsten Punkt anzufangen, aber diesmal finde ich es notwendig, mit einer persönlichen Einleitung zu beginnen.
Ich habe den Ruf, ein Feind der Araber zu sein, der sie aus Palästina hinauswerfen will und so weiter. Das ist nicht wahr.
Gefühlsmäßig ist meine Haltung den Arabern gegenüber die gleiche wie gegenüber allen anderen Nationen – höfliche Indifferenz. Politisch ist meine Haltung durch zwei Prinzipien bestimmt. Zu allererst halte ich es für völlig unmöglich, die Araber aus Palästina hinauszuwerfen. Es wird immer zwei Nationen in Palästina geben – was für mich gut genug ist, so lange die Juden zur Mehrheit werden. Und zweitens gehöre ich zu der Gruppe, die das Helsingfors-Programm erarbeitete, das Programm für die Rechte aller Nationalitäten, die im selben Staat leben. Bei der Ausarbeitung dieses Programmes hatten wir nicht nur die Juden im Kopf, sondern alle Nationen überall und seine Grundlage ist die Gleichheit des Rechts / der Rechte.
Ich bin bereit dazu, einen Eid zu schwören, der uns und unsere Nachfahren daran bindet, niemals etwas zu tun, das den Prinzipien der gleichen Rechte zuwider läuft und dass wir niemals versuchen werden, jemanden hinauszuwerfen. Das scheint mir ein ziemlich friedfertiges Glaubensbekenntnis [zu sein].
Es ist jedoch eine andere Frage, ob es immer möglich ist, ein friedliches Ziel durch friedliche Mittel zu realisieren. Denn die Antwort auf diese Frage hängt nicht von unserer Haltung gegenüber den Arabern, sondern ganz und gar von der Haltung der Araber uns und dem Zionismus gegenüber ab.
Nun, nach dieser Einleitung können wir uns dem Thema zuwenden.
Freiwillige Einwilligung nicht möglich
Es kann keine freiwillige Einigung zwischen uns und den palästinensischen Arabern geben. Weder jetzt noch in absehbarer Zukunft. Ich sage dies nicht so voller Überzeugung, weil ich die moderaten Zionisten verletzen will. Ausgenommen jene, die blind geboren wurden, haben sie vor langer Zeit realisiert, dass es völlig unmöglich ist, die freiwillige Zustimmung der palästinensischen Araber für die Umwandlung „Palästinas” von einem arabischen Land in ein Land mit jüdischer Mehrheit zu erhalten.
Meine Leser haben eine allgemeine Vorstellung von der Geschichte der Kolonisierung in anderen Ländern. Ich empfehle ihnen alle Präzedenzfälle, mit denen sie bekannt sind, zu überdenken und nachzusehen, ob es einen einzigen Fall irgendeiner Kolonisierung gibt, der mit dem Einverständnis der nativen Bevölkerung vorangebracht wurde. Es gibt keinen derartigen Präzedenzfall.
Die nativen Bevölkerungen, zivilisiert oder unzivilisiert, haben den Kolonisatoren immer hartnäckig widerstanden, ungeachtet ob sie Zivilisierte oder Barbaren waren.
Und es machte überhaupt keinen Unterschied aus, ob die Kolonisten sich anständig benahmen oder nicht. Die Gefährten von Cortez und Pizarro oder (wie uns einige Leute in Erinnerung bringen werden) unsere eigenen Vorfahren unter Joshua Ben Nun benahmen sich wie Räuberbanden; aber die Pilgrim Fathers, die ersten wirklichen Pioniere Nordamerikas waren Menschen von höchster Moralität, die niemandem Leid zufügen wollten, zuallerletzt den Indianern, und sie glaubten ehrlich, dass es in den Prärien Platz genug für das Bleichgesicht und die Rothaut gäbe. Die einheimische Bevölkerung kämpfte mit derselben Wildheit gegen die guten Kolonisatoren wie gegen die bösen.
Jede einheimische Bevölkerung, zivilisiert oder nicht, sieht ihr Land als nationales Heim an, dessen alleiniger Herr sie ist, und sie möchte diese Herrschaft immer behalten. Sie wird nicht nur neue Herren, sondern sogar neue Partner oder Mitarbeiter ablehnen.
Araber [sind] keine Dummköpfe
Das ist gleichermaßen wahr für die Araber. Unsere Friedensverbreiter versuchen uns davon zu überzeugen, dass die Araber entweder Dummköpfe sind, die wir durch die Maskierung unserer wirklichen Ziele täuschen können, oder dass sie korrupt sind und durch die kulturellen und wirtschaftlichen Vorteile im Gegenzug bestochen werden können, für uns ihren Anspruch auf Vorherrschaft in Palästina aufzugeben. Ich weise diese Vorstellung über die Araber zurück. Kulturell liegen sie fünfhundert Jahre hinter uns zurück, sie haben weder unsere Ausdauer noch unsere Entschlossenheit, aber sie sind ebenso gute Psychologen wie wir es sind, und ihre Gehirne sind wie die unseren durch Jahrhunderte fein gesponnener Logomachie [Haarspalterei] geschärft. Wir können ihnen über die Unschuldigkeit unserer Ziele erzählen, was wir wollen, sie verwässern oder mit Honigworten versüßen, um sie schmackhafter zu machen, aber sie wissen, was wir wollen, so gut wie wir wissen, was sie nicht wollen. Sie fühlen zumindest dieselbe eifersüchtige Liebe zu Palästina wie die alten Azteken sie zu dem alten Mexiko und die Sioux zu ihren hügeligen Prärien fühlten.
Sich wie unsere Arabophilen vorzustellen, dass sie im Gegenzug zu moralischen und materiellen Annehmlichkeiten freiwillig der Realisierung des Zionismus zustimmen werden, die der jüdische Kolonist mitbringt, ist eine kindische Idee, die im Kern eine Art Verachtung für die Araber hat. Sie bedeutet, dass sie die arabische Rasse verachten, die sie als korrupten Mob ansehen, der gekauft und verkauft werden kann und willig ist, das Vaterland für ein gutes Eisenbahnsystem aufzugeben.
Alle Nativen widerstehen den Kolonisten
Es gibt keine Rechtfertigung für so einen Glauben. Es mag sein, dass einige individuelle Araber Bestechungen annehmen. Das bedeutet aber nicht, dass das arabische Volk Palästinas als Ganzes den leidenschaftlichen Patriotismus, den sie so eifersüchtig hüten und den selbst die Papuas niemals verkaufen werden, verkaufen. Jede einheimische Bevölkerung auf der Welt widersteht Kolonisten solange sie die leiseste Hoffnung hat, fähig zu sein, sich von der Gefahr, kolonisiert zu werden, selbst zu befreien.
Das ist es, was die Araber in Palästina tun und sie werden fortfahren, das zu tun, solange ein einziger Hoffnungsfunke bleibt, sie wären in der Lage, die Transformation „Palästinas” in das „Land Israel” zu verhindern.
Arabisches Verständnis
Einige von uns haben uns verleitet, zu glauben, dass all der Ärger durch Missverstehen käme – die Araber haben uns nicht verstanden und das ist der einzige Grund dafür, dass sie uns widerstehen. Wenn wir es ihnen nur klar machen können, wie moderat unsere Absichten wirklich sind, würden sie uns unverzüglich die Hand zur Freundschaft reichen.
Diese Annahme ist völlig unbegründet und wurde wieder und wieder auseinandergenommen. Ich werde nur einen Vorfall von vielen in Erinnerung rufen. Vor einigen Jahren, als der nun verstorbene Mr. Sokolow auf einem seiner regelmäßigen Besuche in Palästina war, sprach er bei einem Treffen über diese spezielle Frage des „Missverstehens”. Er führte klar und passend an, dass die Araber sich furchtbar irren würden, wenn sie dächten, wir hätten irgendeine Absicht, sie ihres Besitzes zu berauben oder sie aus dem Land zu treiben, oder dass wir sie unterdrücken wollen. Wir fordern nicht einmal, eine jüdische Regierung solle das Völkerbundsmandat übernehmen.
Eine der arabischen Zeitungen, „El Carmel”, antwortete zu dieser Zeit in einem Leitartikel, dessen Inhalt dieser war:
Die Zionisten machen Theater um nichts. Es gibt kein Missverstehen. All das, was Mr. Sokolow über die zionistischen Ziele sagt, ist wahr, aber die Araber wissen das ohne ihn. Natürlich können die Zionisten jetzt nicht daran denken, die Araber aus dem Land zu treiben und sie zu unterdrücken, noch eine jüdische Regierung ins Auge fassen. Recht offensichtlich sind sie jetzt nur um eine Sache besorgt – dass die Araber sie nicht an ihrer Immigration hindern. Die Zionisten versichern uns, dass die Einwanderung sogar strikt im Einklang mit den ökonomischen Bedürfnissen Palästinas reguliert werde. Die Araber haben das nie bezweifelt, es ist eine Binsenweisheit, denn andernfalls kann es keine Einwanderung geben.
Kein „Missverständnis”
Dieser arabische Redakteur war eigentlich bereit zuzustimmen, dass Palästina eine sehr große potenzielle Aufnahmekapazität hat, was bedeutet, dass dort Platz für viele Juden ist, ohne einen einzigen Araber zu verdrängen. Es gibt nur eine Sache, die die Zionisten wollen und es ist diese eine Sache, die die Araber nicht wollen, denn das ist der Weg, auf dem die Juden nach und nach zur Mehrheit werden würden und die Zukunft der arabischen Minderheit vom guten Willen der Juden abhinge, und der Status als Minderheit ist keine gute Sache, wie die Juden selbst nie müde werden herauszustellen. Also gibt es kein „Missverständnis”.
Die Zionisten wollen nur eines, jüdische Einwanderung, und diese jüdische Einwanderung ist es, die die Araber nicht wollen.
Diese Darstellung der Position durch den arabischen Redakteur ist so logisch, so offensichtlich, so unbestreitbar, dass jeder sie auswendig können müsste, und sie sollte zur Grundlage all unserer zukünftigen Diskussionen zur Araberfrage werden. Es spielt überhaupt keine Rolle, welche Phraseologie wir zur Erklärung unserer kolonisatorischen Ziele anwenden, die Herzls oder die Herbert Samuels.
Kolonisierung trägt ihre eigene Erklärung, die einzig mögliche Erklärung, unveränderlich und für jeden normalen Juden und jeden normalen Araber, sonnenklar [in sich].
Kolonisation kann nur ein Ziel haben und die Araber Palästinas können dieses Ziel nicht akzeptieren. Es liegt in der Natur der Sache und in dieser speziellen Hinsicht kann die Natur nicht geändert werden.
Die Eiserne Wand
Wir können den palästinensischen Arabern als Kompensation für Palästina keine angemessene Entschädigung anbieten. Und daher gibt es keine Wahrscheinlichkeit dafür, dass irgendein freiwilliges Abkommen erreicht werden kann. Sodass alle, die so ein Abkommen als eine Bedingung sine qua non für den Zionismus ansehen, ebenso gut „non” sagen und sich vom Zionismus abwenden können.
Die zionistische Kolonisierung muss entweder stoppen oder [unbekannter Ausdruck: “pive population”]. Das bedeutet, dass sie nur unter einer Macht voranschreiten und sich entwickeln kann, die unabhängig von der einheimischen Bevölkerung ist – hinter einer eisernen Wand, die die Einheimischen nicht durchbrechen können.
Das ist unsere Araberpolitik, nicht was wir sein sollten, sondern was sie wirklich ist, ob wir es zugeben oder nicht. Welchen Nutzen hat die Balfour Deklaration sonst? Oder das Mandat? Ihr Wert für uns ist, dass eine externe Macht es übernommen hat, im Land derartige Bedingungen der Administration und Sicherheit zu schaffen, dass die einheimische Bevölkerung, wenn sie es wünschen sollte unsere Arbeit zu behindern, dies unmöglich finden wird.
Und wir alle, ohne Ausnahme, sollten Tag für Tag verlangen, dass diese äußere Macht diese Aufgabe energisch und mit Entschlossenheit ausübt.
In dieser Hinsicht gibt es keinen Unterschied zwischen unseren „Militaristen” und unseren „Vegetariern”. Außer, dass die Ersteren es vorziehen, dass die eiserne Wand aus jüdischen Soldaten besteht und die anderen damit zufrieden sind, dass sie britisch sein sollten.
Wir alle fordern, dass es eine eiserne Wand geben soll. Aber wir verderben unseren eigenen Fall, indem wir über „Einverständnis” reden, was bedeutet, dass wir der Mandatsregierung sagen, dass die wichtige Sache nicht die eiserne Wand ist, sondern die Diskussionen. Leere Rhetorik dieser Art ist gefährlich. Und das ist es, weshalb es nicht nur ein Vergnügen, sondern eine Pflicht ist, sie zu diskreditieren und zu demonstrieren, dass sie beides ist, fantastisch und unehrlich.
Zionismus [ist] moralisch und gerecht
Zwei kurze Bemerkungen:
Zuerst, wenn irgendjemand einwendet, dass diese Sichtweise unmoralisch ist, antworte ich: Das ist nicht wahr: entweder ist Zionismus moralisch und gerecht, oder er ist unmoralisch und ungerecht. Aber das ist eine Frage, die wir hätten entscheiden müssen, bevor wir Zionisten wurden. Tatsächlich haben wir diese Frage entschieden und zwar zustimmend.
Wir sind überzeugt davon, dass Zionismus moralisch und gerecht ist. Und da er moralisch und gerecht ist, muss Gerechtigkeit hergestellt werden, egal ob Joseph oder Simon oder Iwan oder Achmed zustimmen oder nicht.
Es gibt keine andere Moral.
Letzendliches Einverständnis
An zweiter Stelle bedeutet das nicht, dass es überhaupt keine Übereinkunft mit den Palästinensern geben kann. Was unmöglich ist, ist eine freiwillige Übereinkunft. So lange die Araber fühlen, dass es eine letzte Hoffnung gibt, uns loszuwerden, werden sie es ablehnen, diese Hoffnung im Gegenzug für nette Worte oder für Brot und Butter aufzugeben, denn sie sind kein Gesindel, sondern ein lebendiges Volk. Und wenn ein lebendiges Volk in Dingen so vitalen Charakters nachgibt, dann nur, wenn überhaupt keine Hoffnung mehr existiert, uns loszuwerden, weil sie die eiserne Wand nicht durchbrechen können. Nicht eher als dann werden sie ihre extremistischen Führer fallen lassen, deren Parole „Nie!” ist. Und die Führerschaft wird an moderate Gruppen übergehen, die uns einen Vorschlag anbieten werden, wir sollten beide gegenseitigen Konzessionen zustimmen. Dann mögen wir annehmen können, dass sie ehrlich praktische Fragen diskutieren, wie Garantien gegen arabische Vertreibung oder gleiche Rechte für arabische Bürger oder arabische nationale Integrität.
Und wenn das geschieht, bin ich überzeugt davon, dass wir Juden uns bereit finden, zufriedenstellende Garantien zu geben, sodass beide Völker in Frieden und wie gute Nachbarn zusammen leben können.
Aber der einzige Weg, so eine Übereinkunft zu erzielen, ist die eiserne Wand, das heißt, eine starke Macht in Palästina, die nicht zugänglich für irgendeinen arabischen Druck ist. Mit anderen Worten, der einzige Weg, in der Zukunft eine Übereinkunft zu erreichen, ist der, jede Idee davon, eine Übereinkunft in der Gegenwart zu suchen, aufzugeben.
Aus dem Text
unterhttp://anonym.to/?http://www.jabot ... 20Wall.doc(Mit einigen Korrekturen bezüglich Rechtschreibung und Grammatik – Hervorhebungen im Original)
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