Unsere Heimat:
Vom Nahen Osten schritt müde eine alte Frau, Schneeweiß das Haar. Vom Leid gezeichnet die Hände welk, das Anlitz grau.
Sie trug die Bündel auf dem Rücken stützte sich schwer auf einem Stock, das Kleid genäht aus bunten Flicken und altersgrau der dünne Rock.
Als sie so müde schritt des Weges, da sprach sie an, ein junger Mann. "Oh, Mütterlein, woher des Weges, wo gehst du hin, wie ist dein Nam?"
Ich bin die Heimat, sprach die Alte, will drüben gehen von Stadt zu Stadt, will suchen alle meine Kinder die man dereinst vertrieben hat.
Man hat mir alles abgenommen, die Städte, Dörfer und den Wald, die Berge, Flüsse und die Seen, der Kummer macht mich krank und alt.
Und alle Menschen, die mich lieben, sie sind zerstreut in aller Welt, und viele sind zurückgeblieben, von roher Hand zu Tod quält.
Und alles, was mir noch geblieben, ich schnürte es in diesem Pack. Es sind die Sitten und Gebräuche, die einst mein Volk gezieret hat.
Auch Du bist einer von den Meinen, ich habe Dich sofort erkannt. Geh' heim und grüsse mir die Deinen von Ihrem alten Heimatland.
Da fiel der Jüngling vor ihr nieder und küsste ihres Kleides Saum: "Oh Heimat, dich vergess ich nimmer, Du meiner Kindheit schönster Traum."
Heimat, Sie steht vor uns, zerstört, zerrissen, doch ewig neu und ewig jung.
Mit ihrem Brauchtum, ihren Sitten, bleibt sie uns in Erinnerung.
Sie mahnt uns Treue ihr zu halten -
in ihren Liedern, ihrem Wort. In tausend ewigen Gestalten, lebt sie für immer in uns fort.
Und schlägt man Dir auch tiefe Wunden, bleibt uns're Liebe doch bestehn. Wir bleiben, Heimat, Dir verbunden, und möchten Dich immer wieder sehn.
-Den Opfern von Flucht und Vertreibung aus dem deutschen Osten 1945/46-
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