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 Betreff des Beitrags: Juden
BeitragVerfasst: Sa 18. Dez 2021, 10:44 
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Im April 2019 berichtet die israelische Nachrichtenseite Ynet, die Flüchtlingslager in Griechenland würden „hauptsächlich“ von Israelis betrieben.

Von Martin Lichtmesz für Sezession

Beteiligt seien unter anderem die Organisationen Mosaic United, Project TEN, Tevel B’Tzedek, der zionistische Pfadfinderverband Hashomer Hatzair sowie die bereits in den zwanziger Jahren zum Zweck der jüdischen Einwanderung nach Palästina gegründete Jewish Agency for Israel.

Das langfristige Ziel ihrer Anstrengungen ist die Weiterleitung der Flüchtlinge nach Europa. Darauf werden sie in eigens eingerichteten Schulen vorbereitet:

Das Ziel [der Flüchtlinge] ist, Nord- und Westeuropa zu erreichen. Ihr Haupteinfallstor ist Griechenland, das sie in klapprigen Booten von der Küste der Türkei aus zu erreichen versuchen. Mehr als eine Million Flüchtlinge überquerten 2015 und Anfang 2016 auf diese Weise das Meer – von Griechenland über den Balkan und Ungarn in die wohlhabenden Länder der Europäischen Union. (….) Es wird erwartet, daß die meisten Kinder Griechenland verlassen und in andere europäische Länder wie Deutschland, Österreich und Schweden einreisen werden, die effizientere Systeme zur Aufnahme von Flüchtlingen haben, und deshalb lernen sie Englisch.

Diese humanitäre Hilfestellung werde, so Ynet, als „revolutionäre“ Umsetzung des rabbinischen Konzepts „Tikkun Olam“ („Heilung, Verbesserung, Reparatur der Welt“) verstanden. Sie böte außerdem eine blendende Gelegenheit, jüdischen Studenten eine positive jüdische Identität zu vermitteln, ihre „Verbindung zu Israel“ zu stärken und das Image Israels unter Arabern aufzubessern:

In der israelischen Schule sind Schüler aus dem Iran und Afghanistan, aus Syrien und dem Irak. Der lange dämonisierte jüdische Staat bekommt hier ein neues Image. „Wie könnte ich immer noch behaupten, daß ihr Feinde seid?“, fragt H. „Ich habe die Israelis nur durch das Fernsehen kennengelernt; man hat uns erzählt, daß Israel der Feind ist, aber die Realität hat eine andere Wahrheit gezeigt“, sagt N., ein Schulkoordinator und Flüchtling aus dem Irak. „So steht es auch im Koran – wir sind Cousins.“

Der Geschäftsführer von Mosaic United, Rabbi Benji Levy, wird zitiert:

Wenn er die jüdischen Freiwilligen in den Flüchtlingslagern in Griechenland betrachtet, sagt Levy, dann träumt er von einer „globalen Bewegung von Freiwilligen aus Israel und der Diaspora, die zum Wohle der ganzen Welt arbeiten“.

Eine weitere israelische Organisation, die in den griechischen Flüchtlingslagern tätig ist, ist IsraAID, die sich auch in Deutschland vor Ort um die „Integration“ von Flüchtlingen kümmert – also um ihre möglichst reibungslose Ansiedlung. Für diese Arbeit wurde ihr im Oktober 2018 von Angela Merkel persönlich ein Preis in der Höhe von 10,000 Euro übergeben. Zu der „psycho-sozialen“ Betreuung gehört auch hier die Austreibung von antiisraelischen Vorurteilen:

Zu den Ausgezeichneten im Kanzleramt gehörten auch die beiden Israelis Nadim und Tahrir Ghanajem, die sich bei der Hilfsorganisation IsraAid engagieren. Sie arbeiten in der Frankfurter Geflüchtetenunterkunft. Ihre arabischen Sprachkenntnisse helfen ihnen beim Umgang mit Geflüchteten aus dem arabischen Raum. Dennoch kam es anfangs zu Schwierigkeiten und Vorbehalten wegen des israelisch-palästinensischen Konflikts. Aber genau darum ging es laut der Begründung der Jury beim „Brückenbau“-Projekt: mit diesen Spannungen umzugehen und Toleranz zu entwickeln.

Zur Jury des Preises zählte unter anderen Ahmad Mansour, ein israelischer Araber, der in Deutschland die Rolle eines zentristischen Ventilwärters und Torwächters ausübt, indem er etwa das islamistische Problem in das Framing „Extremismus“ packt, in dem auch Links- und Rechtsextremisten Platz haben. Außerdem wacht er über „Antisemiten“, die auf unbotmäßige Weise Israel kritisieren.

Ein weiteres Mitglied war eine alte Bekannte: Naika Foroutan, eine iranischstämmige Migrationsaktivistin, die ein „Forschungsprojekt“ namens „Heymat“ betreibt (oder betrieb), dessen Zielsetzung sie so definiert:

Der Begriff entstand in Abgrenzung zum Begriff der alteingesessenen Deutschen, die für sich Etabliertenvorrechte reklamieren. Er soll verdeutlichen, dass Deutschland und Deutsch-Sein sich wandeln, und die ehedem ethnischen Zuschreibungskriterien für Deutsch nicht die reale Bevölkerungsstruktur und Zusammensetzung des Landes wiederspiegeln, sondern auf essenzialisierenden Konstrukten von Kultur, Nation und Ethnie beruhen.

Auch der Zentralrat der Juden unter der Leitung von Josef Schuster, in entscheidenden Fragen ganz links stehend, beteuert immer wieder, den „Dialog“ mit Muslimen in Deutschland aufnehmen zu wollen, vorrangig, um deren „antisemitische Radikalisierung“ zu verhindern.

2016 unterstützte der ZdJ in Zusammenarbeit mit dem Zentralrat der Muslime, dem Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland, der Türkisch-Islamischen Union (DITIB) und dem Verband Islamischer Kulturzentren das Projekt „Weißt du, wer ich bin? Interreligiöse Kooperation in der Flüchtlingshilfe“, um „diffuse Ängste vor einer ‚Islamisierung‘ oder ‚Überfremdung'“ zu zerstreuen, „die den rechtspopulistischen Parteien die Wähler in der Arme treiben.“

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2017 schockierte der deutsch-französische Modezar Karl Lagerfeld die Öffentlichkeit mit dem (etwas verquer formulierten) Satz: „Man kann nicht, auch wenn Jahrzehnte dazwischen liegen, Millionen Juden töten, um nachher Millionen ihrer schlimmsten Feinde ins Land zu holen.“ (Original: ‚“On ne peut pas, même s’il y a des décennies entre, tuer des millions de juifs pour faire venir des millions de leurs pires ennemis après.“)

Viele „Islamkritiker“ waren begeistert, daß sich ein solch prominenter und unverdächtiger Mensch derart kritisch zur „Flüchtlingspolitik“ äußerte, die zum Teil áls Sühneakt für die „deutsche Schuld“ interpretiert und gerechtfertigt wurde. Sie sahen in dieser Aussage ein moralisches Bombenargument gegen die Masseneinwanderung von Muslimen (ein Argument, das ironischerweise ebenfalls auf der „deutschen Schuld“ basierte). Nun, die genannten jüdischen und israelischen Organisationen – nur einige unter vielen – waren und sind offenbar nicht Lagerfelds Meinung, ganz im Gegenteil.

Schuster und Stein, Zimmermann, Mounk, Singer, Wolffsohn, die im 4. Teil dieses Beitrags zitiert wurden: das alles sind jüdische Stimmen, die eine muslimisch-arabische Masseneinwanderung nach Deutschland und Europa befürwortet und dabei sehenden Auges den Import etwaiger israel- und judenfeindlicher Bevölkerungsgruppen und Individuen in Kauf genommen haben, in der Hoffnung, diese Tendenzen durch sozialtherapeutische Integrationsarbeit abschwächen zu können.

Es wäre also reichlich unaufrichtig, kurzsichtig und in manchen Fällen geradezu heuchlerisch, einerseits „importierten“ Antisemitismus und „importierte“ Israelfeindlichkeit zu beklagen, und dabei andererseits diese Tatsachen (und somit diese Mitverantwortung) auszublenden.

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Es gibt nun gewiß auch Juden, die dem Multikulturalismus und der muslimisch-arabischen Einwanderung nach Deutschland weitaus weniger enthusiastisch gegenüberstehen und sich ernsthaft davon bedroht fühlen.

Zu diesen mag Henryk Broder zählen, der für die Sache der Palästinenser mehr Verständnis aufzubringen versucht als so mancher andere Zionist (siehe auch dieses Interview mit dem damals noch „antideutschen“ Jürgen Elsässer aus dem Jahr 1998). Als solcher hat er etliche Israelkritiker und Antizionisten (auch und gerade jüdische wie Abraham Melzer, Uri Avnery, Ilan Pappe, Avram Burg oder Moshe Zuckerman) unter der Gürtellinie, mit der „Antisemitismuskeule“, attackiert.

Da es in dieser Serie um Demographie geht, wollen wir in Erinnerung rufen, was Broder 2006 in einem Interview mit dem Magazin tachles sagte:

Broder: Was ich völlig im Ernst gut finde ist, dass diese demografische Struktur Europas nicht mehr zu halten ist. Je eher die Europäer das einsehen, desto besser. Einige Städte sind schon recht farbig und nicht mehr «arisch» weiss, und dagegen kann man überhaupt nichts sagen.

tachles: Heisst ein farbiges Europa, dass davon keine Katastrophen mehr ausgehen?

Broder: Das könnte es bedeuten. Es könnte aber auch bedeuten, dass Europa zu existieren aufhört.

Broder wurde offenbar erst dann zum (moderaten) Islam- und Multikulturalismuskritiker, als der er heute bekannt und beliebt ist, als er den Eindruck bekam, daß die muslimische Einwanderung die Juden Europas gefährdet. Die demographische Verdrängung der Europäer war ihm nicht bloß egal – er begrüßte sie ausdrücklich, wissend, daß damit die Existenz Europas selbst aufs Spiel gesetzt werden könnte (warum?).

Das „Existenzrecht Israels“ anzuzweifeln, bedeutet für ihn hingegen „das Undenkbare denken“, und zu den subversiven Gedankengängen, die in diese Richtung führen könnten, zählte er 2009 neben der Ein-Staaten-Lösung („die euphemistische Umschreibung für die politische Endlösung der Judenfrage“) auch folgende scheinbar wohlwollende Überlegung:

Was wäre, wenn die Juden dahin zurückkehren würden, woher sie gekommen sind? Wäre das nicht eine elegante, gewaltfreie und effektive Lösung der Palästinafrage? Europa hätte seine Genies wieder und vier Millionen Palästinenser könnten in ihre Heimat zurückkehren, aus der 800.000 von ihnen vertrieben wurden.
Am 6. 1. 2021 publizierte Broder in der Welt einen etwas seltsamen Artikel (leider hinter einer Bezahlschranke) mit dem provokanten Titel “Frieden in Nahost – ‘Palästina’ als 17. Bundesland wäre eine Option”. Ähnlich wie Gershom Gorenberg (siehe Teil 1 dieses Beitrags) ist er der Ansicht, daß “Israel eine Bürde abwerfen” muß, “die zu viele Ressourcen bindet. Es muss aufhören, eine Besatzungsmacht zu sein”:

Israel kommt nicht um die Einsicht herum, dass es sich mit den Palästinensern arrangieren muss. Nicht weil die Bundeskanzlerin es möchte, nicht weil es dazu moralisch verpflichtet wäre, jedenfalls nicht so lange, wie radikale palästinensische Organisationen „ganz Palästina“ von der „zionistischen Besatzung“ befreien möchten – nein, aus purem Eigeninteresse.

Die Lösungen, die er andeutet, wären folgende:

Israel muss den Palästinensern ein Angebot machen oder eine Auswahl an Angeboten, die schon lange in der Luft schweben. Annexion und Einbürgerung in Israel [also nun doch eine Ein-Staaten-Lösung? M. L. ], Rückkehr nach oder Föderation mit Jordanien oder Ägypten, Protektorat unter dem Schirm der Arabischen Liga. Und falls sich die EU bereit erklären sollte, „Palästina“ anstelle von Großbritannien aufzunehmen, oder wenn die Bundesrepublik „Palästina“ als 17. Bundesland akzeptierte, wäre auch das eine Option, über die verhandelt werden könnte. Im Gegenzug müssten die Palästinenser ihren Verzicht auf einen souveränen „Staat“ erklären.

Die letzteren Vorschläge sind geradezu bizarr, und sie erinnern an eine alte, halbernste, von Ahmadinedschad übernommene Idee Broders aus dem Jahr 2005, den jüdischen Staat nach Schleswig-Holstein zu verlegen (er hat nach ihr auch ein Debattenbuch benannt, in dem er mit Erich Follath darüber stritt, ob Deutsche “Israel kritisieren” dürfen.) Hier ist der Blickwinkel zwar umgekehrt und Israel gegenüber ambivalent, wie das Broder-Zitat aus dem Jahr 2009 zeigt, das Denkprinzip jedoch ähnlich.

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Ob Dampfplauderei oder Scherz, wie so oft bei Broder, nehmen wir diese bescheidenen Anregungen vom Januar 2021 einmal hypothetisch ernst: Welche Grenzen soll denn dieses “Palästina” haben, das hier als außereuropäische Exklave der EU oder Deutschland aufgehalst werden soll, wie man den Schwarzen Peter weiterschiebt? Warum sollen Deutschland und Europa den Preis Israels bezahlen und ihm die Araberlast abnehmen? In welcher Form soll diese Eingliederung “Palästinas” stattfinden? Soll Deutschland etwa Israel als Besatzungsmacht ablösen und Truppen nach Gaza und ins Westjordanland schicken?

Und bekämen die 4,5 Millionen Palästinenser in den besetzten Gebieten nach erfolgter Eingliederung auch das Recht, legal nach Deutschland und Europa einzuwandern? Ist dort noch Platz für weitere Millionen aus dieser Weltecke, aus Syrien, Irak, Libanon, Afghanistan und anderen Ländern?

Ein fortgesetzter Massenexport junger Männer würde die schwerwiegenden demographischen Probleme des Nahen Ostens zwar nicht lösen, aber zumindest mildern. Eine solche Art der Migration wäre vielleicht sogar ein “Geschenk des Himmels” – es fragt sich nur, aus welcher Perspektive.


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Israel und Demographie (1)
Martin Lichtmesz / 8 Kommentare

Neues hat die aktuelle Eskalation zwischen Israel und der Hamas bis jetzt nicht gebracht. Wir kennen den Ablauf:

Martin Lichtmesz
Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Sezession Antaios Twitter

Die Hamas feuert Raketen aus dem Gaza-Streifen nach Israel, worauf Israel überproportionale Vergeltung übt, bis wieder für einige Zeit halbwegs Ruhe im Karton herrscht und das Spiel von vorne beginnen kann.

Seit Israel 2005 seine Truppen an die Ränder des Gaza-Streifens verlegt hat, ist die Situation praktisch in einem permanenten latenten Kriegszustand festgefroren, der alle paar Jahre zu größeren Eruptionen führt. Es handelt sich hier um einen äußerst asymmetrischen Krieg: Im Vergleich mit den Israeli Defense Forces ist die Hamas eine Straßengang aus Detroit, die es mit der amerikanischen Armee aufnehmen möchte.

Diese ungleichen Verhältnisse schlagen sich auch in der der krassen Diskrepanz der Opferzahlen beider Seiten nieder. Der aktuelle Stand (1. 6. 2021) ist 16 : 285 Todesopfer zugunsten Israels, Kombattanten und Zivilisten zusammengerechnet. Bisher sind also etwa achtzehnmal so viele Araber getötet worden wie Israelis. Laut Angaben der UNO sind 72,000 Palästinenser in Gaza im Zuge der israelischen Bombardements obdachlos geworden.

Das kann sich theoretisch noch verschlimmern: Bei der berüchtigten “Operation Gegossenes Blei” im Jahr 2008/9 war das Verhältnis 13 (Israel): 1,417 (Gaza), also mehr als 1:100. Die Mehrzahl der Toten waren Zivilisten, darunter viele Frauen und Kinder. Die Infrastruktur Gazas wurde damals über weite Strecken in Trümmer gelegt. Generell kann die Okkupation Gazas kaum für beendet erklärt werden, da Israel seine Grenzen militärisch kontrolliert, und dem Landstrich jederzeit die Versorgung mit Wasser, Strom, Lebensmitteln oder Medikamenten abdrehen kann.

Die Raketen der Hamas auf Israel können nur vergleichsweise geringen Schaden anrichten. Ihr Ziel ist vor allem, Israel in Zugzwang zu bringen, damit es sich durch exzessive Gegenschläge vor der Weltöffentlichkeit moralisch diskreditiert. Gleichzeitig zielt die Hamas auf eine Polarisierung der Araber im gesamten israelischen Einflußraum ab, sowohl in den besetzten Gebieten als auch innerhalb des Staates Israels selbst, was diesmal ziemlich gut gelungen zu sein scheint.

So gesehen kann man sagen, daß die Palästinenser zumindest eine erkennbare militärische Strategie verfolgen, und sie sind bereit, dafür zu sterben oder den Tod von Zivilisten auf der eigenen Seite in Kauf zu nehmen. Israel jedoch scheint, wie Gilad Atzmon anmerkte, keine solche Strategie zu haben. Das Militär beharrt auf einer jahrzehntealten Doktrin der Demoralisierung durch Abschreckung. Die palästinensische Radikalisierung und Militanz intensiviert sich jedoch mit jedem erneuten Bombardement von Gaza, wo ganze Generationen mit einem Alltag aus Gewalt, Tod, Krieg und Zerstörung aufgewachsen sind.

Es gibt aber noch einen anderen Grund, warum die palästinensischen Opferzahlen so hoch sind, und warum der jetzige Status quo keinen Bestand haben kann: Gaza ist einer der am dichtesten besiedelten Orte der Welt.

Ich entnehme diese Zahlen Wikipedia (hier, hier und hier, wobei man abweichende und veraltete Angaben in Rechnung stellen muß): In Gaza leben zur Zeit rund 2,048 Millionen Menschen. Das Durchschnittsalter ist 18 Jahre, die Bevölkerungsdichte beträgt sagenhafte 5046 Einwohner pro km² (!). Im Westjordanland (Westbank) inklusive Ost-Jerusalem leben rund 2,75 Millionen Araber und rund 592,200 Juden, die dort unter dem Schutz des Militärs eine völkerrechtswidrige Siedlungspolitik vorantreiben. Das wären rund 3,34 Millionen Menschen auf einer Landfläche von 5,640 km2, was eine Bevölkerungsdichte von 592 Einwohnern pro km² ergäbe.

Israel selbst hat eine Gesamtbevölkerung von rund 8,775 Millionen, das Durchschnittsalter beträgt 30 Jahre, die Bevölkerungsdichte 400 Einwohner pro km². Der Anteil der arabischen Staatsbürger beträgt etwa 21% (1,89 Millionen), ihre Geburtenrate ist etwa doppelt so hoch wie die der Juden, und dem Vernehmen nach erwarten etliche sehnsüchtig den Tag, an dem sie in der Mehrheit sind und das Land übernehmen können. Laut diesem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch vom 27. April 2021 leben im Gesamtraum Israel + besetzte Gebiete zwischen Mittelmeer und Jordan nun exakt 6,8 Millionen Juden und 6,8 Millionen Araber.

Die arabische Bevölkerung Israels und der besetzten Gebiete wird also immer zahlreicher, immer jünger und hat immer weniger (nennen wir’s beim verschwefelten, aber griffigen Namen) Lebensraum zu Verfügung, über den sie außerdem keine souveräne Verfügungsgewalt hat. Wer Gunnar Heinsohns Söhne und Weltmacht gelesen hat, weiß, daß dies eine explosive und gewaltträchtige Mischung ist.

Zu diesen demographischen Spannungen kommen weitere Verschärfungen hinzu: Erstens die religiöse Aufladung des Konflikts über den Zankapfel Jerusalem mit seinen für beide Religionen (und das Christentum) hochheiligen Stätten. Und zweitens die Tatsache, daß die Mehrheit der 4,5 Millionen Araber in Gaza (von Israel militärisch kontrolliert) und im Westjordanland (von Israel militärisch besetzt) von den rund 750,000 arabischen Flüchtlingen des jüdisch-arabischen Krieges von 1947–49 abstammt (eine zweite Welle folgte 1967).

Hinzu kommen geschätzte 2,8 Millionen palästinensische Flüchtlinge bzw. deren Nachkommen, die in Jordanien, im Libanon, in Saudi-Arabien oder im Irak leben, oder die im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 nach Europa gelangt sind. Diese beanspruchen seit 1948 ein Rückkehrrecht in das ehemalige Mandatsgebiet Palästina, das von Israel aus nachvollziehbaren Gründen kategorisch verweigert wird.

Nach meiner Rechnung (auf der Grundlage der verlinkten Wikipedia-Artikel) ergäbe das rund 9,6 Millionen Araber (in Israel, in den besetzten Gebieten und in diversen arabischen Nachbarstaaten) die sich als Palästinenser identifizieren, und die Ansprüche auf das Gebiet stellen, in dem nun der israelische Staat liegt. Das Problem Israels ist also vorrangig demographischer Natur. Es ist zwar militärisch überlegen, aber von einem wachsenden Meer feindseliger Araber umgeben. Das hat tatsächlich gewisse Parallelen zu Südafrika vor 1990 (was ich nun nicht “moralisch” meine).

Tatsache ist, daß der israelische Staat in seiner jetzigen Form demographisch auf verlorenem Posten steht. Bei einem Verhältnis von 50:50 zwischen Juden und Arabern bleibt wenig Spielraum für “demographic engineering” (eine der Grundlagen der israelischen Politik), und auch eine massenhafte “Aliya” aus Europa (etwa aus Frankreich), könnte das nicht mehr ändern. Ebenso können die israelischen Streitkräfte Gaza so viel und so oft bombardieren, wie sie wollen. Die zwei Millionen, die dort leben, gehen nicht mehr weg, werden nicht mehr weniger, werden nicht mehr israelfreundlicher.

2011 erschien ein Buch in deutscher Übersetzung, dem der Verlag den sarrazinesken Titel Israel schafft sich ab gab (orig. The Unmaking of Israel). Der Autor Gershom Gorenberg, ein orthodoxer israelischer Jude amerikanischer Herkunft, hielt den israelisch-palästinensischen Status quo, der zehn Jahre später immer noch andauert, für untragbar und skizzierte drei Zukunftsmöglichkeiten für sein Land:

Israel räumt die besetzen Gebiete, zieht die Siedler ab und gründet eine “zweite israelische Republik innerhalb engerer Grenzen” (seine favorisierte Lösung).
Israel wird ein internationaler “Pariastaat” à la Südafrika, “wo eine ethnische Gruppe über eine andere herrscht”.
Israel bricht als Staat zusammen, und wird “durch zwei sich bekriegende Volksgruppen” im Territorium zwischen Jordan und Mittelmeer ersetzt.
Gorenbergs Buch ist ein Plädoyer, die erste Möglichkeit umzusetzen. Um aus der gegenwärtigen Sackgasse herauszukommen, müsse Israel drei Dinge tun:

“den Siedlungsbau einstellen, die Besatzung beenden”, wenn nötig, auch mittels Militäreinsatz gegen militante orthodox-zionistische Siedler, und “das Land zwischen dem Fluß und dem Meer” gerechter aufteilen,
Staat und Synagoge stärker voneinander trennen, “den Staat vom Klerikalismus und die Religion vom Staat befreien”,
und drittens “von einer ethnischen Bewegung zu einem Staat heranreifen, in dem alle Bürger Gleichheit genießen”.
Der dritte Punkt ist aus identitärer Sicht sicher am Interessantesten: Nach Gorenberg müsse ein jüdischer Staat nicht “rein”, sondern nur mehrheitlich jüdisch sein (wie de facto der Fall), weshalb eine “demokratische” Liberalisierung des zionistischen Impulses möglich sei, ohne den Nationalcharakter Israels aufzulösen. Voraussetzung ist, daß es gelingt, die Leitkultur der jüdischen Bevölkerungsmehrheit mit den Rechten der nicht-jüdischen Minderheiten auszubalancieren. Das wäre ein Modell für einen jeglichen modernen Nationalstaat nach identitären Prinzipien (Ungarn ist verfassungsmäßig danach aufgebaut).

Nicht gangbar hält Gorenberg indes eine Ein-Staaten-Lösung, etwa wenn sich Israel, Westbank/Westjordanland (das sich Israel gern einverleiben würde) und Gaza (das Israel lästig geworden ist) zu einer “Ostmittelmeerrepublik” zusammenschließen würden. Dies würde vor allem wegen des Siedlungsproblems, der Flüchtlingsfrage und des ökonomischen Gefälles eine ethnisch gespaltene Nation schaffen, die in Gefahr läuft, ähnlich wie der Libanon in einen Bürgerkrieg zu schlittern:

Es wäre ein Albtraum: ein weiterer Ort auf dem Globus, wo zwei oder mehr Volksgruppen gegeneinander kämpfen, während die Leute mit der besten Bildung und den besten Beziehungen anderswo Zuflucht suchen.

Man kann es noch schärfer formulieren: Eine Ein-Staaten-Lösung käme für den jüdischen Staat einem Selbstmord gleich. Sein jüdischer Nationalcharakter wäre trotz allen guten Willens zur “Leitkultur”, wie ihn Gorenberg fordert, rein demographisch nicht mehr aufrechtzuerhalten, und es wäre realistischerweise nicht zu erwarten, daß sich die Konfliktparteien nach Jahrzehnten des Blutvergießens mit einem Schlag in den Armen liegen und auf einen gemeinsamen binationalen Staat einigen.



Hinzu kommen drei weitere Probleme, die Gorenberg ausblendet: Ein palästinensischer Staat bestehend aus Ost-Jerusalem und Westbank einerseits und Gaza andererseits wäre erstens durch einen großen israelischen Korridor getrennt, was kaum ein optimaler oder auf die Dauer tragbarer Zustand wäre. Allenfalls müßten zwei verschiedene Palästinenserstaaten geschaffen werden, was keine sehr befriedigende Lösung für alle Seiten wäre.

Zweitens platzen diese Gebiete wie beschrieben aus allen Nähten, was die Bevölkerungsdichte betrifft, während ihre arabischen Bewohner eine Menge an Ressentiment und Rachsucht angesammelt haben und die tief eingefleischte Überzeugung hegen, daß sie um ihre angestammte Heimat betrogen worden sind. Hier ist also eine Quelle enormer Unruhe und Unzufriedenheit gegeben.

Daraus ergibt sich drittens, daß sich die Palästinenser mit einer staatlichen Souveränität in den besetzten Gebieten wahrscheinlich kaum zufriedengeben werden. Vielmehr werden sie (oder zumindest radikale Gruppierungen unter ihnen) versuchen, diese als Ausgangspunkt für eine Reconquista ganz “Palästinas” zu benutzen. Dazu fehlen ihnen momentan noch die militärischen Mittel, die ihnen aber vielleicht zuwachsen werden, wenn andere Staaten (wie Libanon, Syrien, Iran) den Rückzug Israels als Schwäche interpretieren und ihren Druck intensivieren. Allerdings verfügt Israel über Nuklearwaffen und den Beistand der Weltmacht USA, was immer noch ein erhebliches Abschreckungspotenzial bietet.

Gorenbergs Modell ist freilich nicht besonders originell, sondern entspricht dem Mainstream und Konsens der liberalen Israelkritiker: Ende der Okkupation, Abzug der Siedler, Rückzug zu den Grenzen von 1967. Das bedeutet, daß “1948”, die Legitimität und das “Existenzrecht Israels” nicht in Frage gestellt werden; man hätte die Vertreibung der Araber international ebenso akzeptiert wie etwa die Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten und die entsprechenden Grenzziehungen.

Dieser Konsens wurde dieses Jahr jedoch durch die Berichte zweier Menschenrechtsorganisationen erschüttert. Das Interessante ist, daß es sich hier um einen fast rein innerjüdischen Vorgang handelt.

Israel und Demographie (2)
Martin Lichtmesz / 63 Kommentare

Aufschlußreich über den Hintergrund des aktuellen Gaza-Konflikts ist dieses Gespräch zwischen zwei jüdisch-amerikanischen Linken.

Martin Lichtmesz
Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Der legendäre Norman Finkelstein (Die Holocaust-Industrie) spricht darin mit Katie Halper über einen “schockierenden” Paradigmenwechsel bezüglich Israel, den die Berichte zweier jüdischer Menschenrechtsorganisationen in diesem Jahr eingeleitet haben sollen.

Der erste stammt von der israelischen Organisation B’Tselem, veröffentlicht am 12. 1. 2021. Der Titel, so Finkelstein, sage alles: “A Regime of Jewish Supremacy from the Jordan River to the Mediterranean Sea: This is Apartheid” – “Ein Regime der jüdischen Vorherrschaft vom Jordan bis zum Mittelmeer: Das ist Apartheid.”

Finkelstein bezeichnet den Ausdruck “Jewish supremacy” als “incendiary” (aufrührerisch), da er offensichtlich an “white supremacy” angelehnt sei, dem Schreckens- und Verdammungsbegriff der heutigen Linken und des Biden-Regimes schlechthin. Hier wird also ein äußerst scharfer Tonfall angestimmt.

Bemerkenswert sei dabei, daß der Bericht nicht mehr zwischen dem Staat Israel und den besetzten Gebieten unterscheide. Das Verdikt trifft den Gesamtkomplex:

Dieser Zustand besteht seit mehr als 50 Jahren – doppelt so lange, wie der Staat Israel ohne ihn existierte. (…) Diese Unterscheidung verschleiert vor allem die Tatsache, daß das gesamte Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordan nach einem einzigen Prinzip organisiert ist, das darauf abzielt, die Vorherrschaft einer Gruppe – Juden – über eine andere – Palästinenser – zu fördern und zu zementieren.

Der zweite Bericht ist von der NGO Human Rights Watch, veröffentlicht am 27. 4. 2021. Sein Titel ist nicht minder scharf: “A Threshold Crossed. Israeli Authorities and the Crimes of Apartheid and Persecution ” – “Eine überschrittene Schwelle. Israelische Autoritäten und die Verbrechen der Apartheid und der Verfolgung.” Tonfall und Wortwahl ähneln dem Bericht von B’Tselem.

Der HRW-Bericht spricht zwar nicht wörtlich von “Jewish supremacy”, aber – g’hupft wie g’sprungen – von einer “systematic domination by Jewish Israelis over Palestinians” (einer “systematischen Herrschaft von jüdischen Israelis über Palästinenser”), die durch “demographisches Engineering” hergestellt wurde:

Die israelische Regierungspolitik hat lange versucht, eine jüdische Mehrheit in Israel zu schaffen und zu erhalten und die jüdisch-israelische Kontrolle über den Boden Israels und der besetzten Gebiete zu maximieren. Gesetze, Planungsdokumente und Erklärungen von staatlichen Amtsträgern zeigen, daß das Streben nach einer Vorherrschaft der jüdischen Israelis über die Palästinenser, insbesondere was Demographie und Landbesitz [quasi “Blut und Boden”? M. L. ] angeht, die Regierungspolitik bis heute leitet.

Dabei wird eine Politik des “Teile und Herrsche” identifiziert und angeprangert:

Die Zersplitterung der palästinensischen Bevölkerung, die zum Teil absichtlich durch die Trennungspolitik zwischen der Westbank und dem Gazastreifen, die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit zwischen Ost-Jerusalem und dem Rest der besetzten Gebiete sowie durch die verschiedenen Einschränkungen des Aufenthaltsrechts erzeugt wurde, dient als weiteres Instrument der Herrschaftssicherung. Insbesondere spaltet die Fragmentierung die Bevölkerung und erleichtert das demographische Engineering, das der Schlüssel zur Erhaltung der politischen Kontrolle durch jüdische Israelis ist. Sie zerfasert die politischen und sozialen Bindungen unter den Palästinensern, wodurch der Widerstand gegen die israelische Herrschaft geschwächt wird.

Dieses “demographic engineering” ist nun nicht erst seit 1967 eine Grundlage der israelischen Politik, sondern die wesentliche Bedingung, durch die der Staat erst entstehen konnte.

Die Zionisten vor der Staatsgründung strebten bereits vor dem zweiten Weltkrieg danach, im britischen Mandatsgebiet Palästina eine jüdische Bevölkerungsmehrheit durch Einwanderung zu schaffen. Manche Zionisten faßten eine friedliche Koexistenz mit den Arabern in einem binationalen Staat ins Auge, andere wiederum träumten eher davon, diese möglichst komplett aus dem zu erschaffenden jüdischen Heimatland zu vertreiben.

Nach Kriegsende strömten zehntausende jüdische Flüchtlinge und Auswanderer vor allem aus Osteuropa nach Palästina, lösten dort eine Art “Flüchtlingskrise” aus und gaben den zionistischen Forderungen demographisches und aufgrund der nationalsozialistischen Judenverfolgungen auch moralisches Gewicht.

Der nächste Schritt war die Vertreibung der Araber, der übernächste der Import von “orientalischen” Juden aus Nordafrika und dem Nahen Osten, die nun ihrerseits zu Hunderttausenden vertrieben wurden oder auswanderten.

Die Berichte von B’Tselem und Human Rights Watch konstatieren nun eine Kontinuität der anti-arabischen demographischen Politik Israels, die bereits vor 1947/48 beginnt und bis in die Gegenwart reicht. Der Streit um den Ostjerusalemer Stadtteil Sheik Jarrah, der ein Auslöser der aktuellen Eskalation war, erscheint den Palästinensern ebenso wie die Siedlungspolitik in der Westbank als Fortsetzung der “Nakba” von 1948 und wird von ihnen entsprechend emotional aufgeladen.

Finkelstein betont, daß die Palästinenser den israelischen Staat als einen gefräßigen Moloch betrachten, der sich seit seiner Gründung immer mehr und mehr arabisches Land einverleiben möchte, eine Ansicht, der er im wesentlichen zustimmt:

Das ist, was der jüdische Staat in der Praxis seit 73 Jahren bedeutet: die jüdische Mehrheit und die Beschlagnahme des Landes für und durch das jüdische Volk.

Indem auch die genannten Menschenrechtsorganisationen dieses Urteil fällen und Israel zahllose Verstöße gegen das internationale Völkerrecht ankreiden, die bis zu seiner Gründung zurückreichen, “delegitimieren sie die Idee eines jüdischen Staates”.

Das Bemerkenswerte ist nun, daß beide Organisationen von Juden geleitet werden.

Die Human Rights Watch hat ihren Sitz in New York und wurde unter anderem von Georges Soros üppig gesponsert. Finkelstein bezeichnet sie als “mainstream, centrist, not radical”, “very conventional”, “very jewish” und “dependent on Jewish donors” , also eine politisch in der Mitte stehende, “sehr konventionelle” und “sehr jüdische” Mainstream-Organisation, die von jüdischen Spendern abhängig ist.

Gerade deshalb, weil es sich hier nicht um “BDS” oder eine andere, radikalere Organisation handelt, mißt Finkelstein ihrem harten und detailliert begründeten Urteil besonderes Gewicht bei. Er wertet HRW-Bericht aber auch als Symptom, daß sich die liberalen Juden der USA in Zukunft noch stärker von Israel distanzieren und entfremden werden, als ohnehin schon seit geraumer Zeit der Fall ist.

[HRW] müssen also sehr vorsichtig sein, wie weit sie im Israel-Palästina-Konflikt gehen können, ohne ihre Spender und Klientel zu verlieren, weshalb ich denke, daß sie sich das vorher gut überlegt haben.

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Das heißt also, daß nach Ansicht Finkelsteins die jüdischen Spender einer jüdischen Organisation bereit waren, einen Bericht zu akzeptieren, der nicht nur die israelische Politik in den besetzten Gebieten als “Verbrechen” verurteilt (was nichts Neues wäre), sondern der das “komplette Regime” als “jewish domination/supremacy” brandmarkt.

Human Rights Watch sei nur einen kleinen Schritt davon entfernt, die Idee eines jüdischen Staates, zumindest in der in Israel verwirklichten Form, vom Standpunkt des internationalen Völkerrechtes aus für illegitim zu erklären.

Was das für Ursachen hat, was es für Folgen haben wird, kann ich noch nicht beurteilen. Israel ist offenbar vielen amerikanischen Juden peinlich geworden, zum Teil aus prinzipiell-ideologischen, zum Teil aus “Image”-Gründen.

Die öffentliche Rechtfertigung seiner anachronistischen, nationalistischen Besatzungs- und Kolonialpolitik bedarf eines erheblichen Propagandaaufwandes, der freilich schon seit Jahrzehnten massiv betrieben werden muß, um das Projekt Israel aufrechtzuerhalten.

Die Biden-Regierung, die stark jüdisch besetzt ist, wird Israel zwar nicht fallen lassen, aber kaum eine derart rückhaltlose und ungeniert rechtszionistische Politik betreiben wie Donald Trump.

– – –

srael und Demographie (3)
Martin Lichtmesz / 70 Kommentare

Israelisch-palästinensische Eskalationen lösen im konservativen Spektrum zuverlässig einschlägiges "virtue signalling" aus.
Martin Lichtmesz
Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Sezession Antaios Twitter

In den sozialen Medien schmücken vorwiegend sogenannte “Liberal-Konservative” ihre Profile mit Israelfahnen, posten markige Neocon-Zitate und empören sich darüber, daß die öffentlich-rechtlichen Medien so unverschämt sind, auch nur die leisteste Mitschuld Israels an der Eskalation zu insinuieren.

Das höchste der Gefühle kommt schließlich auf, wenn die unvermeidlichen Pro-Palästina-Demos stattfinden, und man angesichts der dort üblichen Folkore einmal mehr dem Establishment und den Multikultis den “Antisemitismus” ihrer importierten Goldstücke unter die Nase reiben kann.

Wenn die große Trumpfkarte ausgespielt wird, kriechen inzwischen auch die traditionell pro-palästinensischen Linken rasch zu Kreuze (so geschehen mit dem Medienliebling “Fridays for Future”). Auch Teile der linken Presse wie die taz spielen das Desinformations- und Vernebelungsspiel mit, und behaupten, daß es bei den Protesten gar “nicht um Israel geht”.

Dieses Empörungsritual über den “importierten Antisemitismus” (genauer gesagt: die Israelfeindlichkeit von arabischen Einwanderern) hat indes längst seinen Biß verloren. Es lenkt davon ab, daß die Einwanderung von Arabern und anderen Muslimen nach Deutschland in erster Linie ein Problem für Deutschland und die Deutschen ist, nicht für Israel, für die Israelis oder gar die Juden in ihrer Gesamtheit.

Man könnte das Ritual hunderte Male wiederholen: Es hat keinerlei Einfluß auf die bundesdeutsche Einwanderungspolitik, nicht zuletzt durch die Weigerung der maßgeblichen jüdischen Funktionäre (etwa im Zentralrat der Juden) und Intellektuellen, diesen Wind tatsächlich in Richtung Einwanderungskritik zu ventilieren. Lieber leitet man ihn um, um gegen die AfD Stimmung zu machen, die ihrerseits ebenso verbissen wie vergeblich darum bemüht ist, ihre pro-israelische und pro-jüdische Haltung zu beweisen.

Gewiß sind die anti-israelischen Demos auch dem Establishment peinlich, aber es hat inzwischen eine Reframings-Routine zu seinen Gunsten entwickelt (Merkel: “Judenhaß ist gegen das Grundgesetz”). Dies mündet jedes Mal in einen öden Wettbewerb aller Beteiligten, wer denn nun am vehementesten den “Antisemitismus” verdammt. So entsteht eine Menge heiße Luft, die weder in Gaza noch in Berlin-Neukölln irgendein Problem löst.

Die Lage in Gaza habe ich im ersten Teil dieses Beitrags besprochen, aber was für ein Problem hat Neukölln?

Laut diesem taz-Artikel von 2018 leben in Berlin bis zu 40,000 Palästinenser, in ganz Deutschland bis zu 200,000, eine Zahl, die womöglich viel größer ist, da sie der Spiegel bereits vor fast 20 Jahren nannte (und schon damals wurden auf Palästinenserdemos Synagogen mit Steinen beworfen). Viele von ihnen sind staatenlos, viele stammen aus Gaza, viele kamen im Zuge der Bürgerkriege in Syrien (seit 2012), Jordanien (1970–71) oder im Libanon (1975–90) nach Deutschland.

Am 13. Mai antwortete “Don Alphonso”, das konservative Feigenblatt der Welt, auf den Tweet eines pro-palästinensischen Aktivisten, der sich an die beiden Linksparteiler Moritz Wittler und Ahmed Abed richtete:

since you represent us in the municipality. I demand you to raise the flag of Palestine out of Neukoln Rathaus to show solidarity. Neokolln biggest migrants minority is the #Palestinians #GazaUnderAttack

Da Sie uns in der Gemeinde vertreten, fordere ich Sie auf, auf dem Rathaus Neuköllns die Flagge Palästinas zu hissen, um Solidarität zu zeigen. Neuköllns größte Migrantenminderheit sind Palästinenser.

Don Alphonso kommentierte:

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Wumm! Don Alphonso hat somit direkt auf das Schlagwort vom “Großen Austausch” (grand remplacement) angespielt, was lautes Gekläffe seitens der üblichen Wadenbeißer zur Folge hatte.

Von diesem Punkt aus können wir den größeren Kontext des demographischen Problems im Nahen Osten sehen. Ein Aspekt ist, daß nicht nur Israels ethnokultureller Nationalcharakter und staatliche Struktur dadurch bedroht sind, daß die Mehrheitsbevölkerung rapide wachsenden Minderheiten gegenübersteht: Dieses Problem betrifft praktisch sämtliche westeuropäischen Nationen, am akutesten wohl Frankreich.

Der Unterschied zu Israel ist, daß Macron dieses Problem nicht direkt als ethnokulturelle Frage ansprechen kann, sondern auf der Ebene staatsbürgerlicher “Werte” argumentieren muß.

Darum ergänzte Martin Sellner Don Alphonsos Tweet mit den zutreffenden Worten: “Die Demographie zerstört die Demokratie. Der Große Austausch führt zur ethnischen Wahl.”

Das ist auch in den Vereinigten Staaten nicht anders. Der konservative Fernsehmoderator Tucker Carlson sprach das Thema im April dieses Jahres an, zwar nicht so ehrlich, wie es nötig wäre, aber so direkt, wie es im Mainstream gerade noch erlaubt ist.

In einem Gespräch mit Mark Steyn äußerte er, daß die Demokratische Partei nur deshalb so versessen auf Einwanderung ist, weil sie hofft, dadurch kräftig Wahlstimmen zu importieren:

Mir ist klar, daß die Linken und all die kleinen Torwächter auf Twitter buchstäblich hysterisch werden, wenn man den Begriff “Austausch” [replacement] verwendet, wenn man andeutet, daß die Demokratische Partei versucht, die aktuelle Wählerschaft durch neue, gefügigere Wähler aus der Dritten Welt zu ersetzen. Aber sie werden nur deshalb so hysterisch, weil eben genau das passiert! Sprechen wir es aus. Es ist wahr. (…) Wenn man die Bevölkerung verändert, dann schwächt man die politische Macht der Menschen, die hier leben. Jedesmal, wenn neue Wähler importiert werden, werde ich, als der aktuelle Wähler, enteignet. Klar, alle Welt möchte daraus ein Rassenthema machen. Oh, der, Sie wissen schon, “Austausch der Weißen”[white replacement] ? Nein, nein, es ist eine Frage des Wahlrechts!

Die Wahrheit ist jedoch, daß es sich hier in der Tat (auch) um ein Rassenthema handelt, und so wurde Carlson trotz seiner Beteuerungen der Propagierung von “white supremacy” bezichtigt, unter anderem von der Anti Defamation League, einer äußerst mächtigen Wachhundorganisation (die übrigens Kritiker Israels schon seit seiner Staatsgründung als “Antisemiten” brandmarkt).

Ihr Chef, Jonathan Greenblatt, anwortete mit giftiger Diffamierung und forderte die Absetzung Carlsons als Moderator von Fox News:

Die “Austausch-Theorie” ist eine Doktrin der weißen Suprematisten, die besagt, daß die weiße Rasse durch eine steigende Flut von Nicht-Weißen in Gefahr ist. Sie ist antisemitisch, rassistisch und toxisch. Sie hat die Ideologie der Massenmörder von El Paso, Christchurch und Pittsburgh geformt.

Carlson konterte, indem er der ADL einen Spiegel vorhielt und ihr Doppelmoral vorwarf. Denn in Bezug auf Israel hatte die ADL auf ihrer Netzseite geschrieben:

Durch die historisch hohen Geburtenraten der Palästinenser und einen möglichen Zustrom palästinensischer Flüchtlinge und ihrer Nachkommen, die jetzt auf der ganzen Welt leben, wären die Juden in einem binationalen Staat schnell in der Minderheit, was jedem Anschein von gleicher Repräsentation und gleichem Schutz ein Ende setzen würde. In dieser Situation wäre die jüdische Bevölkerung politisch – und potentiell auch physisch – verwundbar. Es ist unvernünftig und unrealistisch, von der jüdischen Bevölkerung zu erwarten, daß der Staat Israel freiwillig seine eigene souveräne Existenz und nationale Identität untergräbt und dort zu einer verletzlichen Minderheit, wo einmal sein eigenes Territorium war.

Dies ist eine völlig schlüssige und faktenbasierte Argumentation, ungeachtet der Tatsache, daß auch die Palästinenser durch Einwanderung in ihr Land “zu einer verletzlichen Minderheit, wo einmal ihr eigenes Territorium war” geworden sind.

Es gibt jedoch keinen Grund, warum es nur Israel erlaubt sein sollte, eine mehrheitsorientierte Bevölkerungs- und Einwanderungspolitik zum Schutze seiner “souveränen Existenz und nationalen Identität” zu betreiben. Daß der Angriff der ADL auf Carlson auch in den Augen vieler Juden zu weit gegangen war, bezeugt die nicht unerhebliche Unterstützung, die er daraufhin von jüdischer Seite bekam.

Das Thema der Doppelmoral bringt uns nun zurück nach Deutschland.Wie ich eingangs bemerkte, vernebelt die rein affektiv geführte Scheindebatte um “Antisemitismus” und “Judenhaß” wesentliche Sachverhalte, sowohl in Bezug auf Deutschland als auch auf Israel. Für manche scheint die Anwesenheit von Hunderttausenden von Arabern und anderen Muslimen in Deutschland erst dann zum Problem zu werden, wenn sich diese israelfeindlich oder “antisemitisch” äußern und betätigen. Deren Einwanderung wurde jedoch von etlichen jüdischen Funktionären und Intellektuellen enthusiastisch begrüßt.

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7. Juni 2021
Israel und Demographie (4)
Martin Lichtmesz / 48 Kommentare

Am 23. 9. 2015, im Monat der Merkel'schen Grenzöffnung, äußerte der deutsch-israelische Historiker Michael Wolffsohn:

Martin Lichtmesz
Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Sezession Antaios Twitter

“Migration ist ein Geschenk des Himmels”, und böte eine “Lösung oder zumindest Milderung des demographischen Problems” Deutschlands:

Es kommen in Deutschland und Westeuropa weder genügend Kinder zur Welt, noch kommen genügend Einwanderer. Wir haben also ein demographisches Defizit. Darum werden wir unseren Lebensstandard auf Dauer nicht halten können. Jetzt kommen diese viele Menschen. Das mag manchen gefallen und manchen nicht. Aber sie lösen das schwerwiegende demographische Problem der Bundesrepublik. Zumindest mildern sie es.

Das ist natürlich exakt die Ideologie der “Ersetzungsmigration” (replacement migration), die davon ausgeht, daß die Bevölkerung eines Landes durch jede beliebige Fremdbevölkerung ersetzt (oder “ausgetauscht”) werden kann, eine Annahme, die der konstitutiven Bevölkerungspolitik Israels diametral entgegengesetzt ist.

Angesprochen auf das Problem, daß hier nun vorrangig Muslime kommen, äußerte Wolffsohn die Hoffnung, daß sich diese mit der Zeit sozusagen akklimatisieren, also liberalisieren, säkularisieren und “eine Entwicklung hin zu einem Reformislam anbahnen” werden.

2018, drei Jahre später, zeigte sich derselbe Wolffsohn in der Neuen Zürcher Zeitung nicht mehr ganz so “optimistisch” und beklagte den wachsenden Antisemitismus in Deutschland und Europa, verursacht durch “muslimische Zuwanderung”, freilich ohne ein Wort darüber zu verlieren, daß er diese 2015 selbst enthusiastisch begrüßt hatte.

Wolffsohn (geboren 1947 in Tel Aviv) war übrigens bis 1984 sowohl deutscher als auch israelischer Staatsangehöriger, und sein Interesse daran, daß Israel ein “jüdischer Staat” bleibt, ist bis heute ungebrochen.

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Am selben Tag wie das Wolffsohn-Interview erschien in der FAZ eine Ermutigung von Moshe Zimmermann, einem israelischen Historiker, und Shimon Stein, dem ehemaligen israelischen Botschafter in der Bundesrepublik, mit dem Titel “Was kann Europa von Israel lernen?”

Stein und Zimmermann versuchten darin, den Deutschen Ratschläge zu erteilen, wie man eine “Masseneinwanderung verkraften kann”, nicht ohne zu erwähnen, daß Europa im Gegensatz zum dicht besiedelten Israel noch eine Menge Platz übrig habe:

Als die Fachleute seit Ende des 19. Jahrhunderts über die zionistische „Lösung der Judenfrage“, also die jüdische Auswanderung nach Palästina debattierten, galt oft der Platzmangel für die Millionen Juden, die dorthin auswandern sollten, als das Hauptargument gegen die Plausibilität dieser Lösung. Unmöglich, lautete das Urteil. Doch in einem Land, in dem vor 100 Jahren etwa nur eine halbe Million Menschen wohnten, davon weniger als ein Drittel Juden, wuchs die Bevölkerung auf 12,5 Millionen Einwohner. Etwa acht Millionen Israelis, 1,7 Millionen davon arabische oder palästinensische Israelis sowie 4,5 Millionen Palästinenser in den besetzten Gebieten.

Die Bevölkerungsdichte eines Landes ist also eine äußerst flexible Gegebenheit. In diesem Sinne ist der gegenwärtige, relativ bescheidene Bevölkerungszuwachs in Europa, der durch die Flucht aus Süden und Osten verursacht wird, an und für sich noch kein Grund zur Panik.

Ich erspare mir hier die Wiedergabe der Argumentation im Detail, sondern merke lediglich an, daß Zimmermann und Stein in diesem Text gezielt die Tatsache herunterspielen, daß die “Masseneinwanderung” nach Israel nach 1948 trotz aller relativen “Buntheit” der Herkunftsländer gezielt nach ethnokulturellen Kriterien und demographischen Erwägungen erfolgte. Man liest darin Sätze wie diese:

Innerhalb von nur drei Jahren nach der Staatsgründung 1948 wuchs die Bevölkerung Israels von etwa 800.000 auf 1,7 Millionen Menschen. Die Mehrheit der Neueinwanderer kam aus Asien und Afrika.

Stein und Zimmermann verschweigen, daß diesem Bevölkerungszuwachs die Vertreibung von etwa 750,000 Arabern voranging, und sie vernebeln sprachlich, daß die Neueinwanderer keine “Asiaten” oder “Afrikaner” waren, sondern schlicht und einfach Juden aus Nordafrika und Vorderasien.

Wenn aber Deutschland und Europa Millionen von Arabern aufnehmen, betreiben sie das exakte Gegenteil der historischen Einwanderungspolitik Israels – sie stärken damit nicht die eigene ethnokulturelle Gruppe und Nation, sondern schwächen sie durch Fragmentierung.

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Genau diese Bevölkerungspolitik Israels, entlang eines Volks-“Konstruktes” (wie sie es nennen), sollen die Deutschen und Europäer nach Stein und Zimmermann nicht nachmachen, sondern sich zu vielmehr zu Verfassungs- und Universalnationen à la USA umgestalten. Wo Israel die Masseneinwanderung benutzt hat, um einen Nationalstaat zu erschaffen, soll Europa durch Masseneinwanderung die Auflösung der Nationalstaaten im herkömmlichen ethnokulturellen Sinne bewirken:

Was Europa und Deutschland [aus der israelischen Einwanderungspolitik] lernen können, ist selbstverständlich nicht, eine neue Art von Volksgemeinschaft ethnischer Prägung einzuführen, sondern einen Rahmen zu konstruieren, der die Aufnahme und Integration dieser bunten Mischung von Einwanderern erlauben und verkraften wird. Hierfür ist eher Amerika ein Vorbild. (.…)

Europa hat sich in der Vergangenheit mehrfach radikal verändert – die Reformation, die französische Revolution, der zweite Weltkrieg waren tiefe Einschnitte, haben jeweils eine neue Phase eingeleitet, die mit demographischen Wandlungen auch einhergingen. Wenn man es der Verfassung, nicht der ethnischen Zugehörigkeit, als Aufgabe zuweist, diese Wandlung zu meistern, ist auch der neue Versuch nicht zum Scheitern verurteilt.

Zu diesem Zweck sollen die Europäer einen „harten”, aber nicht-ethnischen Kern” ihrer Kultur “definieren und markieren”:

Ein Kern, der unabdingbar für die Einwanderer, inklusive aufgenommener Asylbewerber, Geltung haben muss: Toleranz, liberale Demokratie – all das, was unter Menschen- und Bürgerrechten verstanden und unter dem Begriff Verfassung subsumiert wird.

Etwas doppelzüngig erscheint diese Konzession an das liberale Publikum:

Diesbezüglich ist das israelische Modell eher eine Mahnung – wenn die Ethnie statt der Verfassungswerte zum bestimmenden Kriterium für Integration wird, auch wenn es scheinbar erfolgreich wirkt, ist es keine für Europa brauchbare Lösung. Leider auch nicht für die israelischen Araber oder für die in Israel Asylsuchenden.

Das ist ein schönes Lippenbekenntnis, aber wären Stein und Zimmermann wegen dieser Unpäßlichkeiten für Araber und Asylsuchende ernsthaft bereit, den ethnischen Kern der israelischen Nation aufzulösen und abzuschaffen? Vermutlich nicht. Deutschland und Europa wird diese ethnokulturelle “Veränderung” jedoch nahegelegt, und mit etwas Anstrengung werde man auch das Hereinströmen von Muslimen verdauen können:

Trotz der islamistischen Tendenzen in Europa und in den Ursprungsländern der Flüchtlinge wie Syrien oder Irak muss die heutige Masseneinwanderung nicht in einen Religionskrieg auf europäischem Boden ausarten. Der „clash“ ist nicht prädestiniert, wenn gegenseitige Toleranz wieder zur Grundlage der Politik gemacht wird. Wenn man sich mit der Idee eines sich verändernden, eines veränderbaren Europas (und Deutschland) versöhnt. Wenn man im Prozess der Sozialisation den „harten Kern“ der Verfassungswerte von den unwesentlichen Elementen der Traditionen unterscheidet, kann das Experiment gelingen. Erfahrungsgemäß verläuft die erste Phase nicht reibungslos, darauf muss man gefasst sein. Es lauern auch die Ewiggestrigen und die Rechtsradikalen auf ihre Chance.

Ein “Experiment”? Bei dem man sich auf diverse Verwerfungen und Rückschläge gefaßt machen muß? Wo haben wir das schon mal gehört? Richtig, aus dem Munde von Yascha Mounk!

Bekanntgeworden 2018 durch einen Auftritt im ARD, äußerte Mounk, Autor eines Buches mit dem aufschlußreichen Titel Echt, du bist Jude? Fremd im eigenen Land, bereits am 26. 9. 2015, drei Tage nach den Wortmeldungen von Zimmermann, Stein und Wolffsohn in einem Spiegel-Interview:

SPIEGEL: Herr Mounk, Hunderttausende Muslime flüchten nach Deutschland. Was bedeutet das für deutsche Juden?

Mounk: Ich hoffe auf ein Deutschland, in dem ich meine jüdische Herkunft erwähnen kann, ohne nur als Jude wahrgenommen zu werden – so wie es mir als Kind meist ergangen ist. Wenn Deutschland multiethnischer wird, könnte sich das ändern. Ein Deutschland, in dem sich Juden wohlfühlen, ist ein Deutschland, in dem sich auch Muslime wohlfühlen.

Ein Deutschland, in dem sich auch Deutsche “wohlfühlen”, ist wohl keiner Erwägung wert. Dabei positioniert sich Mounk, der nicht einmal in Deutschland lebt und seine eigene Befindlichkeit über alles zu stellen scheint, gegenüber der muslimischen Einwanderung ebenso zwiespältig, ja schizophren wie Wolffsohn:

SPIEGEL: Sehen Sie auch Probleme?

Mounk: Unter deutschen Muslimen gibt es verstärkt Antisemitismus. Unter jenen, die nun nach Deutschland flüchten, auch. Das zu verschweigen ist gefährlich. Im Experiment mit dem Pluralismus spielen wir Juden ungefähr die Rolle, die Kanarienvögel in Kohlegruben hatten. Braut sich eine Explosion zusammen, geht es uns zuerst an den Kragen.

Die Explosiongefahr, die Mounk in Kauf nimmt, ließe sich jedoch entschärfen, wenn Deutschland den Einwanderern ausreichende “Perspektiven bietet”. Dem folgen die berüchtigten, 2018 nur leicht variierten Sätze:

Mounk: Vor allem geht es um mehr als ein kurzes, fremdenfreundliches Sommermärchen. In Westeuropa läuft ein Experiment, das in der Geschichte der Migration einzigartig ist: Länder, die sich als monoethnische, monokulturelle und monoreligiöse Nationen definiert haben, müssen ihre Identität wandeln. Wir wissen nicht, ob es funktioniert, wir wissen nur, dass es funktionieren muss.

Wir haben hier also, im September 2015, dem Monat, als Angela Merkel die deutschen Grenzen öffnen ließ, vier unterschiedliche jüdische Intellektuelle, drei davon mit israelischer Affiliation, die allesamt ins selbe Horn blasen: Deutschland und Europa sollen das “Experiment” wagen, muslimisch-arabische Einwanderermassen aufzunehmen, um eine segensreiche demographische Wandlung einzuleiten, zu welchem Zweck sie ihren ethnokulturellen Kern aufgeben und ihr Staatsverständnis entsprechend umdefinieren müssen. Sie sollen außerdem dafür sorgen, daß die Muslime durch “Integration” und Säkularisierung gleichsam gezähmt und ihnen insbesondere die antisemitischen Zähne gezogen werden.

Stimmen dieser Art gab es schon lange vor 2015. “Europa muß multikulturell sein”, forderte 2005 Israel Singer, der damalige Vorsitzende des Jüdischen Weltkongresses, in der Welt. Auch im Zentrum seiner Argumentation stand die Aufforderung zur Aufnahme und Integration von Muslimen:

Macht aus Einwanderern gute Staatsbürger! Integriert die Muslime, so wie die Juden integriert wurden. Dazu gehört die Erziehung gegen den Antisemitismus – europaweit. Amerika hatte die Ideologie des Schmelztiegels. Europa muß aber multikulturell und multireligiös sein. In einer Welt der Völkerwanderungen und einem Europa der vielen Völker ist der Rassismus nicht nur politisch inkorrekt. Er ist ökonomisch, finanziell und sozial erledigt. Gerade die monotheistischen Religionen, die untereinander gar nicht so verschieden sind, müssen in den Dialog treten.

Ziemlich lustig im Hinblick auf die heutigen “islamkritischen” Israelfreunde liest sich diese Passage:

Rassisten wollen der Mehrheitsgesellschaft einreden, ihre Feindschaft gegen Muslime habe mit deren Judenfeindschaft zu tun. Die Gesellschaft sollte nicht so unreif sein, ihnen zu glauben. Vor allem die Juden sollten nicht so töricht sein, Rassisten zu unterstützen, bloß weil sie jetzt Muslime angreifen. Der “neue Antisemitismus” der muslimischen Einwanderer ist eine Randerscheinung. Sicher hat der Konflikt im Nahen Osten Auswirkungen auf Europa. Das hat aber weniger mit dem Problem an sich zu tun als mit der unverantwortlichen Haltung eines Teils der europäischen Presse, der völlig überzogene Kritik an Israel übt.

Zugespitzt sagte Singer also folgendes: Daß Muslime manchmal etwas judenfeindlich sind, darf kein Vorwand sein, sich gegen ihre Einwanderung nach Europa und eine multikulturelle Gesellschaft zu sperren, außerdem ist an dieser unbedeutenden muslimischen Judenfeindlichkeit ohnehin nur die israelfeindliche europäische Presse schuld. Juden sollen auf keinen Fall mit Islamfeinden gemeinsame Sache machen.

Wenn man sucht, wird man noch mehr kurioses Material dieser Art finden. Auch für die Tatsache, daß sich israelische Organisationen aktiv daran beteiligen, Araber nach Deutschland und Europa zu schleusen und dort anzusiedeln, finden sich etliche Belege.


Und genau das ist es auf das sie hinarbeiten, die Juden :
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 Betreff des Beitrags: Re: Juden
BeitragVerfasst: Sa 18. Dez 2021, 10:52 
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