Estilizadas

das Schnatterboard
Aktuelle Zeit: Do 28. Mär 2024, 20:16

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde




Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 1 Beitrag ] 
Autor Nachricht
BeitragVerfasst: So 31. Jul 2022, 14:56 
Offline
Administrator
Administrator
Forengott
Forengott
Benutzeravatar

Registriert: So 17. Mär 2013, 14:19
Beiträge: 7987
Bilder: 556
Völkerrecht und Geopolitik
Was ist eigentlich die „regelbasierte Weltordnung“?
Der Westen begründet seinen Kampf gegen Russland und China damit, die Länder stünden gegen die "regelbasierte Weltordnung".
Da stellt sich die Frage, was die ominöse "regelbasierte Weltordnung" eigentlich ist.

Dateianhang:
wef.jpg
wef.jpg [ 45.94 KiB | 237-mal betrachtet ]


Eigentlich ist die Sache ziemlich klar: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die UNO gegründet
und ihre Charta wurde zur Grundlage des modernen Völkerrechts.
Es gibt also schon eine „regelbasierte Weltordnung“ – warum fordert der Westen dann aber explizit etwas Neues
und hat dafür die Formulierung „regelbasierte Weltordnung“ erschaffen?
Um das zu verstehen, müssen wir etwas tiefer in das Thema und in die jüngere Geschichte einsteigen.

Die UNO
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde unter der Führung der Siegermächte die UNO geschaffen
und die Siegermächte USA, Sowjetunion, China, Großbritannien und Frankreich haben dabei den
UNO-Sicherheitsrat geschaffen.
Man muss verstehen, dass die UNO erschaffen wurde, als die Welt noch unter dem Schock
der Schrecken des Zweiten Weltkrieges stand und die Menschen daher die Forderung
„Nie wieder Krieg!“ noch ernst genommen haben, weil sie aus eigener Erfahrung wussten, was Krieg bedeutet.

Daher war ein ganz zentraler Punkt dieses neu geschaffenen Völkerrechts das Gewaltverbot.
In der UN-Charta ist ein Gewaltverbot festgeschrieben, was bedeutet, dass Staaten andere Staaten nicht angreifen dürfen.
Die Ausnahmen sind in Kapitel VII der UN-Charta geregelt.

Das Kapitel VII trägt den Titel „Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen“
und damit ist eigentlich schon alles gesagt.
Ausnahmen vom Gewaltverbot sind nur vorgesehen, wenn ein Staat militärisch angegriffen wird
und sich dagegen verteidigt, oder wenn man einem militärisch angegriffenen Bündnispartner zur Hilfe kommt,
oder wenn der UNO-Sicherheitsrat einen Krieg gegen einen Staat ausdrücklich per Resolution gestattet.
Dazu muss der UNO-Sicherheitsrat zunächst feststellen, „ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens
oder eine Angriffshandlung vorliegt“ (Artikel 39 der UN-Charta) und kann dann Maßnahmen beschließen.

Zu den Maßnahmen, die nach einer solchen Feststellung des UNO-Sicherheitsrates beschlossen werden können,
gehören auch Wirtschaftssanktionen gegen einen Staat.
Das ist ein wichtiges Detail, denn er bedeutet, dass alle Wirtschaftssanktionen,
die ohne UNO-Mandat beschlossen werden, völkerrechtswidrig sind.
Dazu werden wir hier später noch kommen.

Von Beginn der Existenz der UNO an saßen sich im Sicherheitsrat Staaten gegenüber, die unterschiedliche Interessen hatten.
Zuerst war es der Kalte Krieg zwischen dem Westen, bestehend aus den USA und ihren Satellitenstaaten,
einerseits und dem Osten, bestehend aus der Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten, andererseits.
Heute stehen sich im UNO-Sicherheitsrat der Westen einerseits und Russland und China andererseits gegenüber.

Die fünf Siegermächte des Zweiten Weltkrieges haben sich als ständige Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates
ein Vetorecht eingeräumt, was dazu führt, dass der UNO-Sicherheitsrat seine Entscheidungen de facto einstimmig treffen muss.
Und das ist natürlich schwierig, wenn dort Uneinigkeit herrscht.

Hat die UNO sich überlebt?
Dass die UNO sich überlebt hat, wird vor allem von den Staaten des Westens seit Jahren suggeriert.
Sie argumentieren, der UNO-Sicherheitsrat könne blockiert werden.
Das klingt griffig und viele Menschen sind nach Jahren der ständigen Wiederholung dieser Aussage inzwischen der Meinung,
die UNO habe sich überlebt und sei eigentlich überflüssig.

Das Gegenteil ist der Fall, denn das Vetorecht hat einen Sinn.
Der Sinn des Vetorechtes ist es, zu verhindern, dass eine Gruppe von Staaten sich einfach per Mehrheitsbeschluss
im Sicherheitsrat einen Persilschein geben kann, jedes Land ihrer Wahl anzugreifen.
Gerade die Tatsache, dass im UNO-Sicherheitsrat Staaten mit unterschiedlichen Interessen
gemeinsam zu einer Entscheidung kommen müssen, würde Kriege komplett verhindern,
wenn man sich an das Völkerrecht halten würde.

Mit anderen Worten:
Wenn sich alle an das Völkerrecht halten würden und auch die UNO ernst nehmen würden, könnte es keine Kriege geben.
Oder besser gesagt, es könnte sie nur dann geben, wenn ein Staat tatsächlich so eine große Gefahr für den Weltfrieden darstellt,
dass sich alle Mitglieder der UNO-Sicherheitsrates trotz ihrer unterschiedlichen Interessen darüber einig sind,
dass die Weltgemeinschaft militärisch (oder mit Wirtschaftssanktionen) einschreiten muss.

Die Kriege des 21. Jahrhunderts
Nun wissen wir aber alle, dass es in den letzten 20 Jahren viele Kriege gegeben hat, was zwangsläufig bedeutet,
dass es Staaten gibt, die das Völkerrecht brechen.
Wikipedia listet 15 Kriege und Bürgerkriege auf, die es bisher im 21. Jahrhundert gegeben hat,
wobei der Libyenkrieg und der Jemenkrieg zweimal genannt werden, sie werden in jeweils zwei Kriege unterteilt.

Von den damit de facto 13 Kriegen des 21. Jahrhunderts hat der Westen nachweislich mindestens vier selbst angefangen,
nämlich die Kriege in Afghanistan, dem Irak, Syrien und Libyen.
Im Falle Syrien ist das nur wenigen bekannt, weil die westlichen Medien gerne verschweigen,
dass die USA den Krieg mit der CIA-Operation „Timber Sycamore“ begonnen haben.

Und in Libyen wäre der (ebenfalls im Rahmen des sogenannten arabischen Frühlings vom Westen befeuerte)
Aufstand gegen Gaddafi kaum zu einem großen Krieg geworden, wenn die westlichen Staaten
nicht unter Verstoß gegen eine Resolution des UNO-Sicherheitsrates militärisch eingegriffen hätten.

Der UNO-Sicherheit hat dem Westen in Libyen nur die Einrichtung einer Flugverbotszone gestattet,
aber westliche Armeen haben sich darüber hinweggesetzt und das Land bombardiert und sogar Spezialkräfte am Boden eingesetzt,
was dazu geführt hat, dass der Krieg außer Kontrolle geraten ist. Das Ergebnis ist bekannt.

Den Krieg in Mali, in den der Westen ebenfalls verwickelt ist, hätte es ohne den Libyenkrieg nicht gegeben,
denn erst die in Libyen nach Beginn des dortigen Krieges massenhaft vorhandenen Waffen
und die dort stark gewordenen Islamisten haben den Krieg nach Mali getragen.

Hinzu kommen noch zwei Kriege, die enge Verbündete des Westens (auch ohne Erlaubnis des UNO-Sicherheitsrates)
führen oder geführt haben, nämlich der Jemenkrieg, in dem spätestens seit 2010 Saudi-Arabien kämpft,
und der Libanonkrieg 2006, in dem Israel den Libanon völkerrechtswidrig angegriffen hat, um die Hisbollah zu bekämpfen.

Außerdem hat der damalige georgische Präsident Saakaschwili in dem Glauben, die USA würden ihn unterstützen,
2008 die umstrittenen Gebiete Ossetien und Abchasien angegriffen, wo russische Friedenstruppen
seit Anfang der 1990er Jahre nach Bürgerkriegen die Kontaktlinie gesichert haben.
Da westliche Medien diesen Krieg immer anders darstellen, verweise ich auf diesen Artikel, der das Thema im Detail beschreibt.

Wikipedia listet auch noch den Krieg in der Ukraine auf, der ebenfalls auf Initiative der USA begonnen hat,
denn nach dem Maidan-Putsch hat die Putschistenregierung den Befehl zum Angriff auf die sich dem Putsch
widersetzenden Gebiete im Osten des Landes just an dem Tag angeordnet, als der damalige CIA-Chef in Kiew war.
Er hat sogar an der entscheidenden Sitzung des ukrainischen Sicherheitsrates teilgenommen,
bei der der Beschluss gefasst wurde.

Wir können also festhalten, dass die Staaten des Westens und ihre Verbündeten von den 13 Kriegen des 21. Jahrhunderts
neun Kriege entweder selbst angefangen haben, oder aber zumindest nicht unbeteiligt an deren Ausbrüchen waren.

Bei den übrigen vier Kriegen des 21. Jahrhunderts, die Wikipedia auflistet, handelt es sich
um den Bürgerkrieg in der Elfenbeinküste, den Bürgerkrieg im Tschad, den Drogenkrieg in Mexiko und den Bürgerkrieg in Sri Lanka.

Man kann daher ganz objektiv festhalten, dass der Westen und seine Verbündeten an 2/3 der Kriege
des 21. Jahrhunderts nicht nur beteiligt waren, sondern sie (teilweise) sogar begonnen haben.

Wie passt das zu der vom Westen verbreiteten Legende, er stehe für den Frieden?

Illegale Kriege
Keiner der Kriege des 21. Jahrhunderts wurde durch ein Mandat des UNO-Sicherheitsrates genehmigt,
was bedeutet, dass sie alle völkerrechtswidrig waren.

Die einzige umstrittene Ausnahme ist der Afghanistankrieg, bei dem es eine Resolution des UNO-Sicherheitsrates gab,
aus der der Westen das Selbstverteidigungsrecht der USA interpretiert,
was den Afghanistankrieg zu einem legalen Krieg machen würde.

Diese Interpretation ist jedoch mehr als nur umstritten, denn die Resolution 1368 hat zwar
eine Bedrohung des Weltfriedens festgestellt und die Anschläge von 9/11 verurteilt,
jedoch nicht – wie in der UN-Charta vorgeschrieben – auch militärische Gegenmaßnahmen gestattet.

Die USA haben sich daher auf ihr Recht auf Selbstverteidigung nach einem Angriff berufen,
aber erstens sind die USA nicht militärisch angegriffen worden und zweitens war der Angreifer
nach der offiziellen US-Version nicht Afghanistan, sondern die Al-Kaida.
Daher war der Afghanistankrieg, wenn man das Völkerrecht genau nimmt (und das sollte man doch wohl tun),
ebenfalls ein völkerrechtswidriger und damit illegaler Krieg.

Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass der Westen (Deutschland und Frankreich) legal in Mail kämpfen,
weil sie von der dortigen Regierung eingeladen wurden und die Erlaubnis dazu haben.
Das allerdings ändert nichts daran, dass es den Krieg ohne die vorherige Zerstörung Libyens durch den Westen
wohl nicht gegeben hätte.

Wie Völkerrechtsbrüche kaschiert werden
Bekanntlich tut die westliche Presse alles, um ihrem Publikum zu verheimlichen, dass der Westen die meisten Kriegen
des 21. Jahrhunderts verursacht hat und dass das zu allem Überfluss auch noch völkerrechtswidrig war.

Dazu lenken westliche Medien und Politiker vom Völkerrecht ab und erfinden neue Begriffe.
Wenn der Westen illegale Kriege vom Zaun bricht, wird jedes Mal die Legende verbreitet, man tue das nur,
um einen bösen Diktator zu stürzen (den man dann gerne mit Hitler vergleicht)
und man wolle den unterdrückten Menschen Demokratie, Freiheit und Wohlstand bringen.

Von der Tatsache, dass die Kriege illegal sind, wird abgelenkt, indem man sich nicht auf das Völkerrecht beruft,
das man offen bricht, sondern neue Formulierungen erfindet.
Illegale Kriege werden vom Westen als „humanitäre Intervention“ bezeichnet.
Diesen Begriff kennt das Völkerrecht aber nicht und außerhalb der Macht der westlichen Medienblase
wird der Begriff auch nicht verwendet.

Sogar das deutsche Wikipedia sagt, dass es mit dem Aufkommen der Idee der Menschenrechte
Versuche gab, Kriege mit humanitären Vorwänden zu begründen, aber:

„Das Allgemeine Gewaltverbot der Charta der Vereinten Nationen veränderte diese Situation grundlegend
und schaffte die Möglichkeit einer solchen Intervention ab.“

Erst in den 1990er Jahren begann der Westen, das Thema der Humanität als Vorwand für Kriege wieder aufzugreifen
und berief Kommissionen ein, die unter dem Vorwand der Menschenrechte eine Konstruktion erfinden sollten,
die solche völkerrechtswidrigen Kriege legal aussehen lässt.
Aber alle vom Westen einberufenen Kommissionen ändern nichts daran, dass als „humanitäre Intervention“ bezeichnete Kriege
illegal sind, denn die UN-Charta wurde nicht verändert,
weshalb das Gewaltverbot weiterhin gültig ist.

Die „regelbasierte Weltordnung“
Daher versucht der Westen alles, um die UNO zu schwächen, denn sie steht seinen Kriegen entgegen.
Deshalb hört man von den offiziell so friedensbewegten Politikern und Medien des Westens gerne,
dass der UNO-Sicherheitsrat „nötige Beschlüsse verhindert“ und daher eigentlich ignoriert werden könnte,
weil er die Lösung von Problemen verhindert.
Wahr daran ist bestenfalls, dass der UNO-Sicherheitsrat mit den Vetos von Russland und China verhindert,
dass der Westen seine Kriege legalisieren kann, aber das hört man in den westlichen Medien natürlich nicht.

Um die Menschen daran zu gewöhnen, dass das Völkerrecht – wenn es nach dem Westen geht –
am besten gleich ganz abgeschafft werden soll, werden immer neue Formulierungen erfunden.

Seit einigen Jahren fordert der Westen eine „regelbasierte Weltordnung“,
allerdings ohne zu erklären, was das für Regeln sind und wer sie festlegt.

Im Klartext sagt der Westen, wenn er diese Formulierung benutzt, nichts anderes,
als dass er die Regeln vorgeben (und jederzeit ändern) und auch noch selbst überwachen will.
Der Westen will die Regeln für die ganze Welt festlegen, nur darum geht es bei der „regelbasierten Weltordnung“.

Wenn man Aussagen westlicher Politiker zur „regelbasierten Weltordnung“ hört,
dann fühlt man sich wie bei Orwell.
Auf eine Anfrage eines Bundestagsabgeordneten, was denn diese „regelbasierte Weltordnung“ sei,
lautete die Antwort der Bundesregierung unter anderem, sie beinhalte „das pünktliche Zahlen von Beiträgen„.
Das ist lustig, denn ausgerechnet die USA, die Führungsmacht des Westens,
die für die „regelbasierte Weltordnung“ eintreten, machen immer wieder Schlagzeilen,
weil sie zum Beispiel ihre Beiträge zu internationalen Organisationen wie der UNO oft jahrelang nicht bezahlen.

Orwell hätte seine wahre Freude
Aber richtig nach Orwell klingt das, was der deutsche Außenminister Maas zum Auftakt
der Münchner Sicherheitskonferenz 2019 geschrieben hat. Unter anderem schrieb er:

„Die internationale Ordnung steht unter massivem Druck.
Einige Akteure setzen verstärkt auf Machtpolitik und untergraben die Idee einer regelbasierten Ordnung,
um das Recht des Stärkeren durchzusetzen.“

Es ist der Westen, der „verstärkt auf Machtpolitik“ setzt und „die Idee einer regelbasierten Ordnung“ untergräbt,
um „Recht des Stärkeren durchzusetzen.“
Das macht der Westen zum Beispiel, indem er Wirtschaftssanktionen gegen jeden verhängt,
der sich dem Willen des Westens nicht unterordnen möchte.
Solche einseitigen Sanktionen sind nach der UN-Charta illegal, denn auch sie sind – wie auch Kriege –
im Völkerrecht nur dann vorgesehen, wenn der UNO-Sicherheitsrat sie beschließt,
was zum Beispiel für die Sanktionen gegen Nordkorea gilt.
Aber all die anderen Sanktionen des Westens gegen Russland, Weißrussland, Venezuela, Syrien
und so weiter und so fort, sind völkerrechtswidrig.
Sie tun genau das, was Maas kritisiert, sie „untergraben die Idee einer regelbasierten Ordnung,
um das Recht des Stärkeren durchzusetzen.“

Orwell wüsste wahrscheinlich nicht, ob er lachen oder weinen sollte, wenn er so etwas lesen würde,
wie es der deutsche damalige Bundesaußenminister Maas allen Ernstes geschrieben hat.
Maas beklagt das, was er selbst tut.

Weiter hat Maas geschrieben:

„Wir müssen internationale Normen, Abkommen und Institutionen schützen, wenn sie unter Druck geraten,
ihr Fortbestand oder ihre Finanzierung gefährdet sind.“

„Internationale Abkommen schützen“ klingt auch toll, dabei ist es wieder der Westen, der genau das Gegenteil tut.
Das Atomabkommen mit dem Iran zum Beispiel haben die USA einseitig gebrochen und
kein europäischer Verbündeter der USA hat etwas dagegen getan, im Gegenteil.
Und warum hat der Westen keinen Druck auf die Ukraine gemacht, die keinen einzigen Punkt
des Minsker Abkommens umgesetzt hat?

Und wie war das mit der Nato-Russland-Akte, die es der Nato verbietet, Streitkräfte dauerhaft
in Osteuropa zu stationieren, was die Nato – und vor allem die USA – aber seit Jahren im Baltikum,
Polen, Rumänien und so weiter trotzdem getan haben?
Das waren nur ein paar Beispiele, die Liste ließe sich fortsetzen.

Auch beim Schutz internationaler Institutionen, den Maas fordert, sieht es traurig aus.
Mit ihren Wirtschaftssanktionen verstoßen die Staaten des Westens nicht nur gegen die UN-Charta
und damit gegen das Völkerrecht, sondern auch gegen die Regeln der WTO.
Von der UNO, der wichtigsten internationalen Institution, die der Westen ganz offen zu schwächen versucht,
anstatt sie zu stärken, gar nicht zu reden.

Worum geht es bei der „regelbasierten Weltordnung“?
In dem Text von Maas aus dem Jahr 2019 konnte man auch lesen:

„Das bedeutet, dass wir für einen offenen und fairen Welthandel eintreten.“

Fairer Welthandel ist nach dem Verständnis des Westens, wenn es keine Zölle und Handelsbeschränkungen gibt,
damit westliche Konzerne ihre Waren überall verkaufen können.
Wenn ein Staat seine eigenen Firmen durch Zölle vor den subventionierten Produkten westlicher Konzerne schützen will,
dann meckert der Westen und spricht davon, dass jemand den freien Handel stört,
was sich in den westlichen Medienberichten wie eine Todsünde anhört.
Fair und offen ist der Welthandel aus Sicht des Westens nur, wenn seine Konzerne die Märkte dominieren und gut verdienen.

Dass es dem Westen nicht um „offenen und fairen Welthandel“ geht, zeigen viele Beispiele,
denn der Westen behindert die Freiheit des Handles mit seinen Wirtschaftssanktionen ständig selbst.
Weil zum Beispiel russisches Gas billiger ist, als durch Fracking gewonnenes und in Tanker als Flüssiggas
nach Europa transportiertes Gas aus den USA, wurde Nord Stream 2 unter allen möglichen Vorwänden bekämpft.
War das etwa ein Beispiel für „freien und offener Welthandel„?

Überhaupt ist das Wort „regelbasiert“ ein Hohn, denn es gibt ja für alles internationale Regeln.
Es gibt die Regeln der WTO, die der Westen mit seinen Sanktionen bricht.
Es gibt die UNO-Charta, die dem Westen auf die Nerven geht, weil sie verhindert, dass er seinen Willen
überall mit Gewalt durchsetzen kann.
Es gibt unzählige Regeln und Abkommen und es ist der Westen, der sie ignoriert und bricht,
wenn sie für ihn nicht mehr vorteilhaft sind.

Darum lautet meine These, dass die von westlichen Medien und Politikern propagierte „regelbasierte Weltordnung“
nur eines bedeutet:
Der Westen will die Regeln alleine festlegen und er will sie jederzeit ändern können,
wenn er sich davon Vorteile erhofft.
Und diese Regeln will der Westen dem Rest der Welt aufzwingen.

Aus Sicht der etwa 50 Staaten, die zum von den USA dominierten Westen zählen,
mag das sogar verständlich sein.
Aber wie sehen das wohl die restlichen etwa 140 Staaten der Welt?

Richtig: Die finden das gar nicht gut und das liest man außerhalb der Macht des westlichen Medienblase auch in aller Deutlichkeit.

Zum Schluss ein aktuelles Beispiel
Wie sehr die westliche Idee, einer „regelbasierten Weltordnung“ außerhalb der westlichen Medienblase abgelehnt wird,
sieht man am Beispiel Afrika.
Dort hat sich kein Land den westlichen Sanktionen angeschlossen und der russische Außenminister Lawrow
wurde auf seiner Afrikareise letzte Woche mit offenen Armen empfangen.

In den Ländern, die nicht schon Vasallen der USA sind, findet man die Idee, in einer Welt zu leben,
in der die USA die Regeln vorgeben und jederzeit zu ihren Gunsten ändern können,
nicht besonders attraktiv.
Das beklagen westliche Politiker wie der EU-Chefdiplomat Borrell auch ganz offen,
wenn sie davon sprechen, dass der Westen den „Kampf der Narrative“ verliert.

In Afrika hat man russische Medien nicht zensiert.
Zwar ist das russische Budget für Medien nicht mit dem vergleichbar, was westliche Regierungen
und NGOs dafür ausgeben, aber trotzdem hat der Spiegel aus Anlass von Lawrows geschrieben:

„In vielen Ländern beeinflussen zudem russische Desinformationskampagnen die Menschen.
Die staatlichen russischen Sender Russia Today (RT) und Sputnik haben in Westafrika
ein dichtes Netzwerk aufgebaut.
622 afrikanische Nachrichten-Internetportale stützen sich auf die Kreml-Outlets,
37 davon in Mali.

Außerdem haben viele russische Medien nun auch eine französischsprachige Sparte,
um möglichst viele Menschen in Afrika zu erreichen.
Der Sender RT baut zudem derzeit eine englischsprachige Redaktion in Südafrika auf,
das Russland ebenfalls historisch nahe steht, da die Sowjetunion den Kampf des ANC
gegen das Apartheidregime unterstützte.
Auch Geld an antiwestliche Bewegungen zahlt Moskau gern.“

Die Lügen der westlichen Propaganda werden inzwischen so offensichtlich,
dass dem Westen nur noch Zensur hilft, um seine Narrative zumindest innerhalb der Länder
westlichen Medienblase durchzudrücken.
Daher musste der Westen russische Medien verbieten, weil man zu große Angst hat,
trotz der medialen Dominanz den „Kampf der Narrative“ auch im Westen zu verlieren.

Die Weltgeschichte hat gezeigt, dass Zensur ein verzweifeltes Mittel von lügenden Regimen ist,
die zu wenige Argumente für ihre Sichtweisen haben, um in einem offenen Diskurs zu überzeugen.
Daher herrschte bei den Nazis oder im „realexistierenden Sozialismus“ strenge Zensur.
Der Westen geht nun den gleichen Weg und wundert sich, dass unabhängige Staaten keine Lust
auf die „regelbasierte Weltordnung“ des Westens haben.

Die Ukraine und das Völkerrecht
Da der Westen Russlands Intervention in der Ukraine als „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ bezeichnet,
will ich zum Schluss auch auf das Thema eingehen.

Der Krieg in der Ukraine begann nach dem vom Westen organisierten und finanzierten Maidan-Putsch.
Das war ein Verstoß gegen das Völkerrecht, denn die Unterstützung von Putschen verstößt
gegen das in der UN-Charta verankerte Verbot, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen.

In der Folge des Putsches wollten sich die Krim und der Donbass von der Ukraine lossagen und Teile Russlands werden.
Im Völkerrecht gibt es zwei Bestimmungen, die einander widersprechen.
Da ist zum Einen die Unverletzbarkeit der Grenzen von Staaten und zum Anderen
das Selbstbestimmungsrecht der Völker.
Was also tun, wenn die Bevölkerung in einem Teil eines Staates sich von dem Zentralstaat lossagen möchte
und sich diese beiden Vorschriften einander widersprechen?

Früher war das eine ungeklärte Frage, weil beide Bestimmungen im Völkerrecht gleichberechtigt waren.
Das hat der Westen nach der vom Westen unterstützten Abspaltung des Kosovo von Jugoslawien geändert, 7
indem er sich an den Internationalen Gerichtshof gewandt und um eine Entscheidung zu der Frage gebeten hat.
Alle Staaten des Westens haben in ihren Eingaben an den Gerichtshof dafür argumentiert,
dass eine Region sich von ihrem Zentralstaat lossagen kann und dass das nicht dem Völkerrecht widerspricht.

Der Gerichtshof ist in seiner Entscheidung dieser Linie gefolgt und hat entschieden,
dass es nicht gegen das Völkerrecht verstößt, wenn sich eine Region von ihrem Zentralstaat lossagt,
auch wenn das den Gesetzen und der Verfassung des Zentralstaates widerspricht.
Damit hatte der Westen sich zwar die Aktion mit dem Kosovo im Nachhinein legalisiert,
aber er hat auch die Büchse der Pandora geöffnet, denn nun können sich auch andere Volksgruppen darauf berufen,
die sich für unabhängig erklärt haben oder das tun möchten.

Und genau das ist in der Ukraine passiert.
Im Mai 2014 gab es auch im Donbass Referenden, was jedoch im Westen wenigen Menschen bekannt ist.
Das Ergebnis war, ähnlich wie auf der Krim, eine überwältigende Zustimmung zu eine Vereinigung mit Russland.
Daher haben sich die Donbass-Republiken von der Ukraine unabhängig erklärt,
was gemäß Kosovo-Urteil des Internationalen Gerichtshofs vollkommen vom Völkerrecht gedeckt ist.

Russland hat deren Unabhängigkeit im Februar 2022 anerkannt, mit ihnen Beistandsabkommen geschlossen,
und Russland ist, als die Ukraine den Beschuss des Donbass Ende Februar verstärkt hat, –
den Beistandsabkommen entsprechend – den Donbass-Republiken zu Hilfe gekommen.
Nach dem vom Westen selbst geschaffenen Präzedenzfall Kosovo handelt Russland vollkommen im Rahmen des Völkerrechts,
von einem „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ kann nicht die Rede sein.

Man kann von mir aus über die Verhältnismäßigkeit der russischen Maßnahmen diskutieren,
weit auf ukrainisches Gebiet vorzurücken.
Allerdings hätte Russland da sehr gute Argumente, denn solange Kiew absichtlich Wohngebiete im Donbass beschießt,
hat Russland das Recht, die Kiewer Kräfte zum Schutz der Zivilisten im Donbass weiter zurückzudrängen.

Ich würde auch gerne eine Begründung eines westlichen Völkerrechtlers hören, der erklärt,
warum Russlands Vorgehen trotz des Kosovo-Urteils völkerrechtswidrig sein soll, denn wenn westliche Experten
Russland das vorwerfen, dann ignorieren sie das Kosovo-Urteil konsequent, dabei ist es der entscheidende Punkt.

So funktioniert die „regelbasierte Weltordnung“ des Westens:
Der Westen macht sich Regeln und ändert sie nach Bedarf, ganz wie es ihm passt.
Und wer sich dem nicht fügt, der wird mit Sanktionen oder Schlimmerem bestraft.

Thomas Röper

_________________
Bild Bild Bild Bild
„Verunglimpfungen sind für den, der sie ausspricht, schimpflicher als für den, dem sie gelten“. :jahaaa
(Plutarch von Chäronea)


Nach oben
 Profil Persönliches Album  
Mit Zitat antworten  
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:  Sortiere nach  
Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 1 Beitrag ] 

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 11 Gäste


Du darfst keine neuen Themen in diesem Forum erstellen.
Du darfst keine Antworten zu Themen in diesem Forum erstellen.
Du darfst deine Beiträge in diesem Forum nicht ändern.
Du darfst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du darfst keine Dateianhänge in diesem Forum erstellen.

Suche nach:
Gehe zu:  
Powered by phpBB® Forum Software © phpBB Group
Deutsche Übersetzung durch phpBB.de