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 Betreff des Beitrags: Absturzweihnachtswunder
BeitragVerfasst: So 11. Dez 2022, 11:05 
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Absturzweihnachtswunder

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So arm, so bleich – Ein Hungerreich – Waisenkindereinsamkeit – Allein sie sind, auf sich gestellt, tief im Wald, weit weg die Welt

Der Tod entriss die Mutter ihnen, die Frau, die schützte ihre Leben – Die sie befreite aus den Heimen, wo Kindlein so viel Pein erleiden

So jung sie sind, bedingt bereit, zu leben ohne Schutzgeleit – Die Älteste zwölf Jahre alt, gibt ihnen Wärme, Kraft und Halt

Kein Diesel mehr, kein Strom zur Nacht – Der Winter übernimmt die Macht – Es stürmt und schneit, und graut und wütet – Der Winterfrost zerstört die Mythen von romantisch Weihnachtsblüten, von Schlittenfahrten, bunten Zügeln, von Tänzen auf dem Teichgespiegel, vom Basteln in der warmen Stube, von Plätzchendüften in den Nasen, von der goldig´ Weihnachtsmaus, vom Lachen, Singen, leis´ und laut

Kein Christbaum und kein Kugelschmuck, kein Lamettaflitterlook, keine Kerzen an den Zweigen, kein Stern hoch droben, der dort leuchtet – Zu schwer die Axt, zu weit der Weg, durch den tiefen kalten Schnee – Niemand darf das Haus verlassen – Wölfe heulen um die Wette – Allenfalls zum Häuschen draußen, wenn´s kneift und drückt, im leeren Bäuchchen – Die Flinte immer mit dabei, und nicht allein, immer zu zweit

Der Alltag wird strikt beibehalten – Den Ofen schüren, Lesestunden, Hausaufgaben obendrein, ohne Bildung bleibt man klein – Die Jüngste weiß nicht was das soll – Das die Routine helfen soll, um abzulenken vom Dilemma, von der Not, vom strengen Winter, wie schwer es ohne Mutter ist, dass das Leben hart nur ist

Jedoch, sie spürt die trübe Stimmung, sieht, das knapper wird die Nahrung – Mangel überall im Haus – Bis auf eins, das geht nicht aus – Liebe, Herzenswärme, Güte, unbändige Geschwisterliebe - Keine Rügen, kein Ermahnen, akzeptieren der neuen Zeiten, Verständnis für die Schwester groß, die nun ist der Mutterschoß

Trösterin sie ist und Doktor, Lehrerin und Laienpastor, Oberhaupt und Kochmamsell, Vorleserin am Bettgestell, Verscheucherin von Nachmahrunken, der stärkste Lebensfeuerfunken

Die Weihnachtszeit macht ihr zu schaffen – Wo, die Geschenke herbeschaffen – Weit oben in den Bergen liegt, ein Flugzeug, das der Fels zerrieb – Es stürzte ab am frühen morgen – Dort könnte man vielleicht was Bergen?

Und wider allerlei Gefahren, bei Tagesanbruch, sie tun´s wagen – Zu Fuß, bewaffnet, das muss sein, die Schlitten sie zieh´n ganz allein, durch Tiefschnee, durch die Wälder kahl, voranzukommen eine Qual – Nur die ältesten zwei Beiden, die Jüngste muss zu Hause bleiben – Zu gefährlich und zu langsam, jedoch bewacht vom Bärenhund, von Zeichen schützend im Verbund – Die Tür verriegelt fest von Innen, die Läden beidseits holzverwinkelt das Tiefversteck nur leichtbeschwert, so dass die Schwester klein und schwach, sich ganz schnell verbergen kann

Der Knabe hat Bedenken stetig, auf dem Weg hinauf zum Phoenix – Das Gracie blieb allein zurück, dass die Strecke zu lang ist, dass das Wetter schlimmer wird, dass das Flugzeug ist zerstört, dass dort könnten Menschen sein, die arg böse und gemein, dass die vielleicht bemerken könnten, dass die Mutter nicht vorhanden, denn dann wartet nur das Heim, aus dem sie flohen alle drei

Der Weg ist lang, und steil, und schwer, die Kinder schwach, der Hunger zehrt, die Schlitten globig und arg groß – Trotz Schneeschuh´ man ist schwer zu Fuß – Die Strecke erscheint doppelt lang – Doch sie verdrängen Angst und Bang

Am Nachmittag, bald wird es dunkel, sie sind am Ziel und fallen um kurz – Nach Luft sie schnappen, atmen durch, die Zwielichtfinsternis an Bord – Die Glieder schmerzen, die Herzen rasen, Atemnebel schlagen Haken, Glück im Unglück, kaum was brennt, die Ladung leicht verteilt vom Wind

Drei Tote fanden ihren Frieden, im eisig Bett des Schneegeriesel – Ein Mann jedoch hat überlebt, schwer verletzt, Blut im Gesicht, die Wangenhaut tief aufgerissen, Körperteile auch zerschlissen – Erste Hilfe er erhält, ein Schmerzgebräu, das ihn ruhig hält – Die Dunkelheit sie bricht heran, der Rückweg ist erst mal vertan


Um warm zu halten den Patienten, die Toten geben ihre Hemden, überlassen ihre Jacken, die Schuhe und fast alle Sachen – Die Schwester übernimmt die Wache, schürt das Feuer, spendet Wärme, hält Ausschau nach dem Wolfsgerudel, schaut nach dem Mann und seinen Wunden

Der Rückweg auch nicht leichter ist, die Schlitten voll mit dem Gewicht – Das Gute ist, es geht bergab – Das Schlechte, man muss räumen ab, die Lasten, wenn zu steil der Grat – Auch der Verletzte hat zu leiden – Die Schmerzen ihn ins Dunkel treiben, wenn er herunter muss vom Holz, und man ihn zieht über das Eis – Wenn man ihm bindet Seile um, um ihn zu lassen in die Schlucht

Man hat´s geschafft, es ist vollbracht, rechtzeitig vor der dunklen Nacht – John füllt auf den Generator – Es wird Licht im Haus, am Klotor – Das Schneemobil wird aufgetankt, aufgefüllt der Küchenschrank – Geschenke werden wohl versteckt – Entwendet zwar – Was soll´s egal – Wer hier überleben will, muss nehmen ihm Gott darbringt – Ein rosa Kleid für Gracielein, ´ne Taschenuhr, besonders fein – John wird große Augen machen, das ist sein Wunsch seit vielen Jahren

Die Schwester schottet ab den Kranken, zu schrecklich sind die Körperwunden – Bei Tag und Nacht, sie bleibt bei ihm – Hält Gracie ab zu sehen ihn – Gar schrecklich schaut er aus im Licht, und Gracie, schnell sie fürchtet sich – Albträume jetzt kann niemand brauchen, und Gracie neigt dazu seit Neuestem

Hinzu kommt, sie ist weinerlich, glaubt, dass Weihnachten zerbricht – Dass sie der Weihnachtsmann nicht findet, tief im Wald in ihrer Hütte – Dass er besucht nur Kinderlein, die nicht ganz und gar allein

Zu gern, sie würd´ ein Bild ihm malen, jedoch Papier ist Mangelware, und Stifte gibt es auch kaum noch, nur zum Lernen, sonst zu nichts – Und der lustige Geselle, mit dem Rauschebartgewölle, mag es wenn an ihn gedacht, während dieser heilgen Nacht

Doch die große Schwester weiß, hat ´nen Rat stets griffbereit – Der Weihnachtsmann ein magisch Wesen, kann unsichtbare Bilder lesen – Und Gracie macht sich ran ans Werk, mit rosig´ Wangen feinverziert – Ihr Zeigefinger ist der Stift, der pinselt, punktet, kreiselt, bricht, der da zaubert, Eins, Zwei, Drei, himmlisch schöne Zeichnerei, auf Schränke, Stühle, Küchentisch, auf Türen, Wände, ins Gesicht – Jeder Platz wird ausgenutzt, keine Fläche ohne Schmuck

Ich im Schmerz höre sie flüstern, leise, leise, sehr oft wispern, manchmal lachen, manchmal weinen, ab und zu nicht wirklich streiten – Ängste sind´s, die brechen aus, weil schutzlos ist das kleine Haus – John wirft ein, ich könnte sein, gierig, böse und gemein, ein wahres Dunkelschwerkaliber, das nur zahm ist unter Fieber – Fragen, er hat haufenweise – Eine ist besonders leise – Ob die Schwester das kann tun, was man tut in schlimmer Not? Wenn Leib und Leben sind gefährdet? Wenn ich sollte sein gefährlich?

Ich kannte ihre Antwort schon, sie wird beschützen ihren Clan über´s Maß ganz weit hinaus, tagtäglich und jahrein, jahraus – Ich bekam so Vieles mit, wenn ich ohne Fieber fit – Was nur kurz war, nur Sekunden, zwischen schmerzbefreit´ Minuten, ein Segen ihres Schlafgebräu´s, das mich dämmern ließ ganz weit

Dann versorgten ihre Hände, meine Wunden, all die Brände, trugen auf ´ne Salbenschicht, wuschen aus Bakteriengift, bewahrten mich vor Wundstarrkrampf, vor Blutvergiftung, Todeskampf – Sie kaum von meiner Seite wich, am Tage nicht und nachts erst recht – Manchmal, sie schlief ein ganz tief, vor Erschöpfung, himmlisch süß – Dann träumten wir zusammen Beide, das Selbe und das gleiche Gleiche

Und später, als ich wachte auf, der Schock mich trat, fest in den Bauch – Blind ich war und ohne Früher - Ohne was Vergangenes, nicht zu wissen, wer ich bin – War ich blind an von Geburt, oder war der Sturz der Grund?

Sie gab mir Halt und ich mir Zeit – Für Panik war ich nicht bereit – Ich musste stark sein, so, wie sie - ´Ne Prüfung war´s, ich war ihr Ziel – Wie alt sie sei, ich fragte sie – Bald vierzehn, das war viel zu viel – In ein paar Wochen, oder so, in einem halben Jahr jedoch bestimmt, was für ein liebreiz Flunkerkind

Vertraut wir wurden immer mehr – Ich spürte, das war viel zu schwer, die Last als Mutter und Beschützer, als verantwortliche Schwester, dann die Sorgen noch um mich, dass sie versagt, der Tod mich bricht, dass sie nicht heilen kann, nicht wirklich, dass sie es nicht verkraften kann, wenn ihr Bemühen nicht kommt an

Nur mir sie ihre Tränen zeigte, wie schmerzvoll ihre massig Leiden – Damals ahnte ich es nicht, so schwer, sie trug an dem Gewicht – An dem, was ihr nicht war bewusst – Was ich erfuhr, als ich gesund – Als ich wieder sehen konnte und machte meine erste Runde – Unerwartet, ich trat ein, ins Zimmer, wo sie war allein – Der Tisch gedeckt für drei Personen, auf den Tellern, rote Bohnen

Ein angeregtes Tischgespräch – John, der einen Witz erzählt´ – Gracie fand ihn wenig schön – Er hingegen aber schon – Mia schwieg, sie griff nicht ein, Geschwistertageskappelein – Lautlos ich zog mich zurück – Ich würde schweigen, noch ein Stück – Musste finden erst heraus, was geschah in diesem Haus

Nach und nach, ich fand die Teile – Das Herz mir brach bei jeder Zeile – Ein Kind, seit Jahr und Tag allein, auf sich gestellt, der Mensch als Feind - ´Ne Welt, ganz eigen sie sich schuf, nachdem Mutter und Geschwister tot – Dahingerafft vom Lungenfieber – Drei Tage lang, sie schaufelt´ Gräber

Zehn sie war, so jung und klein – Nicht gewohnt allein zu sein – Die Einsamkeit, sie hielt nicht aus, die Angst bei Nacht, Gefahr vor´m Haus – All die Alltagskleinigkeiten - Für ein Kind kaum zu bestreiten – Ihre Seele wurde krank – Ließ leben auf, was war gewohnt, Gracie und den Bruder John

Für sie, die Kleinen war´n real – Sie fühlte, sah, war ganz nah dran – Wenn John und Gracie sprachen aus, Worte, die mir wohlvertraut, mit Stimmen, die ich längst schon kannte, kein Wort jedoch aus deren Munde, da sie nicht waren wirklich da, weil sie ruhten längst im Grab

Das Trauma ließ sie auferstehen – Ließ Mia all das überstehen – Was sollt´ich tun? Wie ging es weiter? Was war mein Part, im Hier und Heute?

Es kam, wie es wohl kommen musst´ – Ich fügt´ mich ein in Mia´s Schloss – In ihr Seelenfriedlichreich, in ihre Herzgroßheiligkeit – So lebten wir, bis ich genesen – Ihr Daddy, ich ward längst gewesen – So, ich kam zu meiner Tochter – Meinem Absturzweihnachtswunder

Die Kleinen, nach und nach sie gehen – Ich vermiss´ sie irgendwie – Mehr jedoch ich würde leiden, würde Mia von mir scheiden – Jeder Tag so wundervoll, himmelssüß und farbenprall, schillerglänzend, sehsuchtshauchend, glückstraumtrunken, mondversunken – Das Vatersein hat mich gefunden


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Und sollte ich vergessen haben, jemanden zu beschimpfen, dann bitte ich um Verzeihung!
Johannes Brahms


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