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 Betreff des Beitrags: Ich lebe!
BeitragVerfasst: Do 12. Jan 2023, 07:43 
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Ich lebe!

Atemzüge, sie schmerzen! Mein Herz, es schlägt! „Ich lebe, hört ihr mich, ich lebe!“

Mama ist tot, ein Autounfall. Ich wusste es nicht, wusste es nicht. Ich habe getreten und geboxt, normalerweise streichelt sie mich dann, spricht mit mir, oder aber, wir baden zusammen – Zwei Mal Wasser um mich herum, zwei Mal wohlige Wärme, zwei Mal plantschen und schwimmen. Wasserduschperlen auf Mama´s Bauch. Entspannungsmusik – Manchmal singt Mama mit – So schön!

Der Aufprall, es tat so weh. Das Geräusch, es war fürchterlich. Schlimmer jedoch war Mama´s Röcheln, ihr Ringen nach Luft. Ich spürte ihre Hände, einige Male konnte sie wieder sprechen, dann flüsterte sie meinen Namen, versprach mir, alles würde gut.

Herausschneiden, sie sprachen darüber herauszuschneiden – Etwa mich? Nein, die Männer wollten Mama befreien.

Sie war ganz still, ihr Herzschlag kaum noch vorhanden. Mama, sie nahm mich mit auf die andere Seite!

Angst – Ich ersticke! Mama´s Lebenswunderbauch, mein Schutz, mein Heim auf Zeit – Mama genoss es so sehr, dass ich sie ausfüllte – Mein sicherer Hort, er würde nun zu meinem Grab.

Mit Mama zusammen sterben – Ich möchte in ihr bleiben, auf ewig in ihr sein! Sterben tut so weh, mein ganzer Körper schmerzt. Der Tod, er saugt das Leben aus mir heraus. Ich wünschte, es würde schneller gehen, doch, er lässt sich Zeit – Weshalb quält er mich so? Weshalb ausgerechnet, muss er Mama holen?

Mama´s Herz ist gebrochen, sie atmet nicht mehr. Ihre Stimme, niemals wieder werde ich sie hören. Sirenengeheul. Es rumpelt, ich schlage Purzelbäume in meiner Fruchtwasserblase. Übelkeit, ich muss würgen. Schwindel in meinem Kopf. All meine Glieder, so schwer. Meine Hände und Füße, so steif – Ich sterbe stückchenweise. Mein Herz, wie Mama´s, hört es kurz auf zu schlagen!

Ärzte, sie brechen sie auf, reißen Mama´s Bauchdecke auseinander, grapschen nach mir – So kalt ihre seelenlosen Hände. Ich blute, das Skalpell hat meine Hand verletzt. Sauerstoffzufuhr, sie kämpfen um mein Leben – Mama haben sie aufgegeben!

Der Tod, er wacht über mich, lässt mich nicht los. Er hat seinen Anspruch angemeldet. Mit Mama allein mag er sich nicht begnügen, auch ich gehöre ihm.

Er ist so mächtig, so willensstark, die Ärzte geben auf.

Ich möchte zu meiner Mama, zurück in ihren Bauch, dort hinein gehöre ich – Bitte, bettet mich zu ihr. Näht mich ein - Mama und ich, wir haben doch nur uns!

„Mama, Mama!“ Niemand kann mich hören, ich schreie laut in mich hinein.

Man bringt mich weg, dabei will ich doch bei Mama sein! So eisig kalt das Gefäß in dem ich liege. Das Papierhandtuch knistert. Niemand soll mich sehen. Lange Gänge, grelle Lichter, Stimmengewirr. Plötzlich Stille – Unheimlich, furchteinflößend!

Türenknarren, so dunkel der Raum. Neonröhrenflackern. Was wird die Frau mit mir tun? Scheu, mich direkt anzufassen, vielleicht Ekel, eventuell Furcht vor dem Tod - Sie ergreift mich mit dem Papier.

Ein Rest von Menschlichkeit, von Mitgefühl, sie lässt mich nicht einfach fallen, wirft mich nicht hinein in das finstere Etwas. Nein, sie bettet mich, allerdings ohne mich noch einmal anzusehen, auf den weichen Grund - Verwesungsgeruch, Eiter, Blut so entsetzlich kalt – Ich werde darin ertrinken!

Medizinischer Abfall! Deckel drauf und zu! Ich versuche zu schreien, meine Stimmbänder zu aktivieren! Ich kämpfe ums Überleben!

Plötzlich, ich weiß nicht nach wie langer Zeit – Neonflackerlicht! Das Papier, ich habe es weggestrampelt, bin nicht im Blutgewässer versunken! Wer dort oben auch immer ist, er, oder aber auch sie, kann mich sehen!

Atemzüge, sie schmerzen! Mein Herz, es schlägt! „Ich lebe, hörst Du mich, ich lebe!“

Mein rechtes Bein, es zuckt. So behutsam die Finger. Sie säubern mein Gesicht. Warme Atemstöße in meinen Mund. Ich schreie! Mein allererster Schrei, ganz schwach, ganz leise!

„Fröschlein, Du lebst ja!“, höre ich den netten Mann sagen und ich flüstere in Gedanken zurück: „Möchtest Du mein Papa sein?“

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Und sollte ich vergessen haben, jemanden zu beschimpfen, dann bitte ich um Verzeihung!
Johannes Brahms


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