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 Betreff des Beitrags: Waffenlieferungen und Ausbildung
BeitragVerfasst: So 25. Sep 2022, 05:59 
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Völkerrecht
Waffenlieferungen und Ausbildung von Soldaten: Ist Deutschland Kriegspartei?
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat ein Gutachten zu der Frage vorgelegt, ob Deutschland völkerrechtlich gesehen schon Kriegspartei gegen Russland ist. Die Antwort ist nicht angenehm.

von
4. Mai 2022 18:22 Uhr
Vorweg sei gesagt, dass all die im Netz und auf Telegram umherirrenden Meldungen, Russland sehe Deutschland bereits als Kriegspartei, weil Deutschland angeblich gegen den Waffenstillstand von 1945 verstößt, komplett frei erfunden sind. Darüber, also über die Frage des Waffenstillstandes von 1945, wird in Russland nicht gesprochen. Ich erwähne das nur, weil ich wegen dieser Posts, die in unterschiedlichster Form die Runde machen, immer wieder Leserfragen per Mail bekomme.

Allerdings gilt: Wenn ein NATO-Staat – egal ob Deutschland, oder ein anderer NATO-Staat – völkerrechtlich eine Kriegspartei wäre, dürfte Russland militärische Ziele in diesem Staat angreifen. Damit wäre die Welt nur noch einen winzigen Schritt von einem Atomkrieg entfernt, es sei denn, die NATO würde das Völkerrecht akzeptieren und in so einem Fall auf die Ausrufung von Artikel 5 verzichten. Ob das theoretisch möglich ist, ist eine der Fragen, auf die wir hier eine Antwort finden.

Dies wird wieder ein langer Artikel, denn ich werde zunächst berichten, was der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages zu dieser Frage schreibt, dann werden wir uns anschauen, was die verschiedenen NATO-Staaten (inklusive Deutschland) bereits tun und ob sie das völkerrechtlich bereits zu Kriegsparteien gegen Russland macht. Anschließend schauen wir uns noch an, was das zum Beispiel für die Versenkung (oder den Untergang) der „Moskva“, des Flaggschiffes der russischen Schwarzmeerflotte, bedeutet

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat schon am 16. März ein 12-seitiges Gutachten herausgegeben, in dem er der Frage nachgegangen ist, ab wann ein Staat Kriegspartei im russisch-ukrainischen Konflikt ist. Man kann den Inhalt des Gutachtens recht einfach zusammenfassen, auch wenn in dem Gutachten von einigen Grauzonen die Rede ist.

Das wichtigste zuerst, weil es immer wieder diskutiert wird: Waffenlieferungen an die Ukraine machen dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages zufolge kein Land zur Kriegspartei. Aber es gibt hier eine wichtige Einschränkung, denn der Wissenschaftliche Dienst schreibt:

„Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei bzw. Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen.“

Das ist problematisch, wie wir noch sehen werden, denn unter anderem Deutschland bildet ukrainische Soldaten an den Waffen aus, die in die Ukraine geliefert werden. Demnach wäre Deutschland völkerrechtlich bereits Kriegspartei und das wussten auch die verantwortlichen Politiker, die diese Entscheidung vor kurzem getroffen haben, denn das Gutachten ist von Mitte März.

Bodentruppen und Flugzeuge
Ebenfalls eine klare Teilnahme am Krieg wäre es, wenn ein anderer Staat Soldaten in die Ukraine schickt, oder eine Flugverbotszone über der Ukraine errichten möchte. Daher lehnen die USA auch seit Beginn der russischen Intervention solche Maßnahmen ab, obwohl sie von Kiew (und teilweise auch von Polen) gefordert werden. Die USA wollen einen Atomkrieg (bisher jedenfalls) vermeiden und vermeiden daher auch jedes offene militärische Eingreifen.

Laut dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages gibt es Grauzonen bei der Frage der Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine. Der Grund ist, dass diese Flugzeuge dann in jedem Fall zu Kriegsteilnehmern werden und dass das unter Umständen auch für die Basen gilt, von denen sie starten. Russland könnte also völkerrechtskonform Militärflugplätze in NATO-Staaten bombardieren, wenn von dort aus von ukrainischen Piloten geflogene Kampfflugzeuge in die Ukraine geschickt werden. Gleiches gilt laut Wissenschaftlichem Dienst auch für „Logistikzentren“, die solche Flugzeuge versorgen.

Das ist auch der Grund, warum die USA sich sofort gegen die polnischen Forderungen gestellt haben, polnische MiG-29 Flieger an die Ukraine zu liefern, zumal das russische Verteidigungsministerium, als diese Meldungen auftauchten, sofort mitgeteilt hat, dass es in dem Fall die entsprechenden Flugplätze in NATO-Staaten als legitime militärische Ziele ansehen wird.

Aufklärungsdaten
Ein besonders heikles Thema ist die Weitergabe von Aufklärungsdaten an die Ukraine. Dass die USA solche Daten in großem Stil weitergeben, ist kein Geheimnis, dazu kommen wir noch. Der Wissenschaftliche Dienst sieht auch hier eine Grauzone mit fließendem Übergang:

„Hier sind die genauen Umstände entscheidend: Je substanzieller die Unterstützung wird und je abhängiger die unterstützte Partei, also die Ukraine in unserem Fall, davon ist, desto näher kommt man der roten Linie. Strategisch relevante Geheimdienstinformationen fallen dabei natürlich ins Gewicht. Ihrer Natur gemäß sind sie aber natürlich geheim und für die gegnerische Seite nicht oder nur schwer nachzuweisen.“

Wie wichtig und brisant dieses Thema ist, werden wir noch sehen.

NATO-Bündnisfall
Auch hier zeigt das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages viele Grauzonen, weshalb ich folgendes Zitat für entscheidend halte:

„Der Bündnisfall gem. Art. 5 NATO-Vertrag wird von den NATO-Mitgliedstaaten durch einen Beschluss des NATO-Rats festgestellt. Eine klare Regelung dazu findet sich im NATO-Vertrag allerdings nicht. Der Feststellung des NATO-Bündnisfalles liegt keine „Automatik“ zugrunde. Die NATO-Staaten entscheiden im Konsens mit einem weiten politischen Ermessensspielraum. Ein „Anspruch“ eines angegriffenen NATO-Partners auf Feststellung des Bündnisfalles besteht nicht.“

Das bedeutet im Klartext, dass es bei der NATO keine klare Definition und keinen Automatismus für die Ausrufung des NATO-Bündnisfalls gibt. Die NATO-Staaten können die Ausrufung sogar dann verweigern aus politischen Gründen, wenn der Bündnisfall eigentlich objektiv gegeben wäre.

Wie wichtig das ist, zeigt wieder das Beispiel Polen, das die USA immer wieder gedrängt hat, dem Einsatz von polnischen „Friedenstruppen“ in der Ukraine zuzustimmen. Das haben die USA immer abgelehnt und Polen deutlich gesagt, dass Warschau natürlich machen kann, was es will. Aber auf die NATO sollte Warschau nicht zählen, wenn es in so einem Fall zu einem militärischen Konflikt mit Russland kommt. Das scheint den Polen aber noch zu heiß zu sein, weshalb sie bisher keine Truppen in die Ukraine geschickt haben.

Soweit zu dem Gutachtend es Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Nun wollen wir es mit den Maßnahmen abgleichen, die verschiedene NATO-Staaten durchführen.

Deutschland
Dass Deutschland im großen Stil Waffen an die Ukraine liefert, ist bekannt. Deutschland hat bisher Waffen im Wert von über 190 Millionen Euro an Kiew geliefert und Bundeskanzler Scholz hat weitere zwei Milliarden Euro für Waffenlieferungen an die Ukraine freigegeben. Allerdings sind solche Waffenlieferungen laut Wissenschaftlichem Dienst des Bundestages keine Kriegsbeteiligung. Moralisch mag man das anders sehen, völkerrechtlich scheint das so zu sein.

Problematischer ist, dass die Bundesverteidigungsministerin am 26. April angekündigt hat, ukrainische Soldaten an den Panzerfahrzeugen auszubilden, die Deutschland der Ukraine schicken will. Das wäre völkerrechtlich eine Kriegsbeteiligung Deutschlands gegen Russland.

Damit aber nicht genug, denn die USA haben gemeldet, ukrainische Soldaten ebenfalls in Deutschland an den Waffen auszubilden, die sie der Ukraine schicken. Dabei geht es um das Training an amerikanischen Haubitzen, das Ende April bereits im Gange war. Auch das würde Deutschland und die USA zu Kriegsparteien machen, denn Deutschland lässt die Ausbildung ukrainischer Soldaten auf seinem Territorium zu. Das allerdings sieht der Regierungssprecher anders, als der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages:

„Unsere Überzeugung ist, dass auch die Ausbildung von ukrainischen Soldaten in Deutschland an Waffensystemen weiterhin keinen direkten Kriegseintritt bedeutet.“

Wie er zu dieser Erkenntnis gekommen ist, verrät er allerdings nicht.

USA
Neben Waffenlieferungen im ganz großen Stil und der Ausbildung ukrainischer Soldaten an amerikanischen Waffen tun die USA noch etwas anderes im großen Stil: Sie geben Aufklärungsdaten an die Ukraine weiter, was eine der komplizierten Grauzonen in dem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages ist.

Am 7. April wurde der US-Verteidigungsminister bei einer Senatsanhörung gefragt, ob die USA der Ukraine davon abraten, den Donbass oder die Krim anzugreifen, worauf er antwortete, die USA würden Kiew davon nicht abraten. Außerdem bestätigte er, dass die USA Aufklärungsdaten mindestens über den Donbass mit der Ukraine teilen und dass es dafür aber noch keine detaillierten Instruktionen gebe.

Am 13. April meldete das Wall Street Journal, dass das Pentagon plane, die Weitergabe von Aufklärungsdaten auszuweiten und der ukrainischen Armee auch Daten zu geben, die den Angriff auf militärische Ziele auf der Krim ermöglichen. Die Zeitung zitierte eine Quelle außerdem mit den Worten:

„Wir versorgen unsere ukrainischen Partner mit detaillierten Informationen, strategischen Informationen, taktischen Informationen, genau den Informationen, die sie brauchen, um ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten.“

Am 28. April haben US-Medien gemeldet, dass die Weitergabe von Informationen noch weiter ausgedehnt werden solle und auch operative Ziele umfassen solle. Sogar von Informationen, die die Rückeroberung zum Beispiel der Krim ermöglichen sollen, war die Rede.

Die Versenkung der „Moskva“
Der Westen meldet, die „Moskva“, das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte, sei von einer ukrainischen Neptun-Rakete versenkt worden. Das ist sehr unwahrscheinlich, allerdings ist auch die offizielle russische Erklärung wenig wahrscheinlich, die von einem Feuer spricht, das eine Explosion und das Sinken des Schiffes verursacht habe.

Wahrscheinlicher ist, dass die „Moskva“ von britischen Harpoon-Raketen, oder anderen modernen Anti-Schiffsraketen der NATO getroffen wurde. Dazu finden Sie hier eine sehr lesenswerte Analyse.

Auch wenn die „Moskva“ ein 40 Jahre altes Schiff war, war sie mit hochmodernen Radaren ausgerüstet und es heißt, die Schwarzmeerflotte habe nun keine Langstrecken Radare mehr gegen Flugzeuge, mit Ausnahme derer, die auf der Krim an Land stationiert sind. Die „Moskva“ zu versenken war also ein strategischer Erfolg für Russlands Gegner und hat sicher auch bei der NATO die Sektkorken knallen lassen, denn ihr Verlust schwächt die russische Schwarzmeerflotte erheblich.

Verdächtig ist, dass die „Moskva“ keine Raketen hat kommen sehen, es gab keine Abwehrmaßnahmen. Das kann dreierlei bedeuten: Entweder hat die Crew schlicht gepennt, was in einem Kampfgebiet kaum der Fall gewesen sein dürfte, oder die russische Version von dem Feuer ohne Außeneinwirkung ist wahr, was ich ebenfalls für unwahrscheinlich halte, oder die „Moskva“ wurde von einer hochmodernen, nur schwer vom Radar zu ortenden Rakete getroffen.

Wenn letzteres der Fall ist, dann war das klar eine Kriegsbeteiligung der NATO, denn die Ukraine hat solche Raketen nicht. Und selbst wenn man ihr einige geliefert haben sollte, wäre die Rakete kaum ohne aktive Unterstützung der dort zu dem Zeitpunkt operierenden US-Aufklärungsflugzeuge von Typ P-3 ins Ziel gelangt.

Russland will eine Eskalation, also eine direkte militärische Konfrontation mit der NATO, vermeiden. Das sieht man daran, dass Russland bisher nicht auf die klaren Kriegsbeteiligungen der NATO (Übermittlung von Aufklärungsdaten und Ausbildung ukrainischer Soldaten an westlichen Waffen) reagiert. Russland könnte daher auch wider besseres Wissen die Version mit dem Feuer an Bord aufrecht erhalten, weil die Beschuldigung, die NATO habe die „Moskva“ versenkt (oder aktiv dabei geholfen), eine Eskalation bedeuten würde.

Russland könnte sich in diesem Fall allerdings an amerikanischen Basen im Nahen Osten rächen, was die USA nach gängiger Logik wohl geflissentlich übersehen würden, wie sie 2020 nach der Ermordung des iranischen Generals in Bagdad auch die iranischen Angriffen auf US-Stützpunkte im Irak geflissentlich übersehen haben. Der strategische Erfolg der Versenkung der „Moskva“ dürfte den USA das wert sein.

Der General in Mariupol
Über die Spekulationen, unter den Stahlwerk in Mariupol halte sich ein NATO-General auf, habe ich schon oft berichtet. Gerade erst wurde gemeldet, er sei schon in russischer Gefangenschaft, was von Russland weder bestätigt, noch dementiert wurde.

Bei dem General handelt es sich vermutlich um den Kanadier Trevor Cadieu. Das kanadische Verteidigungsministerium gab bekannt, dass er am 5. April seine Entlassung eingereicht und angekündigt hat, in der Ukraine zu kämpfen. Gleichzeitig wurde gemeldet, dass in der Armee interne Ermittlungen wegen sexueller Belästigung gegen ihn laufen. Interessanterweise wurde das aber nicht am 5. April, sondern erst am 21. April gemeldet. Das lässt darauf schließen, dass man sich absichern will, indem man den General als privaten Freiwilligen darstellt, der nichts mit der NATO zu tun hat, denn ein von den Russen in Mariupol gefangen genommener aktiver NATO-General würde eine aktive Kriegsteilnahme der NATO bedeuten.

Selbst wenn Russland den General gefangen genommen haben sollte, erfahren wir das vielleicht nie, denn ein NATO-General, der bei gegen Russland kämpfenden ukrainischen Truppen erwischt wird, wäre definitiv eine aktive Kriegsbeteiligung eines NATO-Staates gegen Russland. Es ist gut möglich, dass hinter den Kulissen über die Frage der „Moskva“ und des Generals gerade sehr heftig gerungen wird, denn keine Seite will einen heißen Krieg, obwohl der aufgrund der völkerrechtsrelevanten Kriegsbeteiligungen der NATO-Staaten de jure im Grunde schon läuft.

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Und sollte ich vergessen haben, jemanden zu beschimpfen, dann bitte ich um Verzeihung!
Johannes Brahms


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